Metal sucht man in der Heidelberger Musikwissenschaft vergeblich. Finn Wischer wagt mit seiner Bachelorarbeit einen exotischen Versuch
Die Heidelberger Musikwissenschaftler haben wohl erst einmal blinzeln müssen, als sie den Titel von Finn Wischers Bachelorarbeit gelesen haben: „Der Vampir und die Faszination des Bösen – Untersuchungen zu einem Idealtypus des Metal“. Finn ist Musiker, spielt Schlagzeug in einer Band und hört gern Metal. Zwischen Mozart, Bach und Beethoven fällt diese Musikrichtung doch sehr aus dem Lehrplan. Finn hat das gewundert und deshalb hat er in dieser Forschungslücke seinen Abschluss gemacht. Generell besteht Metal aus vielen verschiedenen Themengebieten. Ein großer Bereich beschäftigt sich mit Fantasiewesen, unter denen der Vampir ein häufig gewähltes Motiv ist.
Die Analyse in der Bachelorarbeit zeigt, wie dieses Wesen durch Musik dargestellt wird. Das geschieht im Metal ganz anders als in einer Oper. Harmonische Analysen von Dur oder Moll sind schwierig, da die dafür charakteristische Note, die Terz in einer Tonart, im Metal selten vorhanden ist. „Ich habe eher untersucht, wie Affekte in der Musik erkennbar werden“, erklärt der Musiker. „Im Metal geht es viel um Gefühle. Das kann bis zu gesellschaftskritischen Liedern gehen.“ Der Bezug zur Historie ist in seiner Arbeit weniger das Problem. Denn Opern wie „Der Vampyr“ von Heinrich Marschner behandelten das Thema der Blutsauger schon 1828. Die Analyse von Affektdarstellung ist allerdings neu. „Es gibt wenige Methoden oder Interpretationsansätze für Songs aus dem Metal. Der Fokus liegt bei klassischer Musik auf anderen Dingen, so wie Harmonie und Melodieführung. Darauf wird man im Studium auch ausschließlich vorbereitet“, stellt Finn fest. Forschungsliteratur zu Rock oder Metal ist in der Bibliothek der Musikwissenschaften die Ausnahme.
Finn suchte also alternative „Forschungsliteratur“ und investierte viel eigene Arbeit. „Da ich selbst in einer Metalband spiele, habe ich einige Kontakte“, erzählt der Student. „Zwei Bands, deren Lieder ich auch analysiert habe, konnten mir viele Informationen geben und ein Kompositionsstudent hat mir Einblicke in die Entstehung von Metalsongs gegeben.“
Forschungsliteratur von traditionellen Musik- und Religionswissenschaftlern „enttarnten“ Metal als fragwürdige Stilrichtung, die von Kindern fernzuhalten sei. „Generell gibt es in dem Bereich viel Meinung und wenig Ahnung. Metaler werden meist als Satanisten dargestellt. Das stimmt nicht. Der Teufel ist nur ein kleines Themenfeld. Metal ist so viel mehr als die musikalische Beschäftigung mit dem Teufel“, stellt der Metalfan klar.
Seiner Ansicht nach ist es kein Problem, ein Thema außerhalb der Bachelornorm zu wählen: „Metal ist zeitlich auf einer Linie mit Minimal Music und Zwölftonmusik. Davor gab es halt irgendwann Bach. Ich sehe keinen Grund, den Popularbereich auszuschließen. Man muss über seinen Schatten springen – anscheinend auch als Dozierender.“ Im Moment finden Musical- und Filmmusikseminare statt und die Professoren werden dem Popbereich gegenüber aufgeschlossener. „Klar kennt man die Analyseschritte für eine Oper, aber die Schritte für Metal rauszufinden, ist doch total interessant. Die viele Arbeit lohnt sich!“
Nach seinem abgeschlossenen Bachelor hat Finn ein Praktikum im Eventmanagement begonnen – dort sind schließlich alle Musikrichtungen vertreten.
Von Selina Demtröder