Der Akademikerball findet jeden Januar in der Wiener Hofburg statt. Rechtsextreme aus ganz Europa nutzen ihn als Vernetzungstreffen
Bälle sind in Österreich ein gesellschaftliches Ereignis. Und während der Ball in Deutschland als Relikt längst vergangener Zeiten gesehen wird, als etwas, was es nur noch in Disneyfilmen gibt, ist er in Österreich das Highlight des Jahres. Dabei ist nicht jeder Ball so pompös wie der weltbekannte Opernball. Vom einfachen Maturaball über den Feuerwehrball im Nachbardorf bis hin zum Grazer Tuntenball, bei dem Drag Queens und Lederdaddys Spenden für die Aidshilfe sammeln, ist in der Ballkultur des Nachbarlandes alles dabei. Der Ball, der am meisten polarisiert und über den auch in der deutschen Presse berichtet wird, ist dabei der Akademikerball.
Der erste Wiener Akademikerball fand bereits 1952 in der Hofburg, dem Sitz des österreichischen Präsidenten, statt. Bis 2012 wurde der Ball vom Wiener Korporationsring (WKR) organisiert, einem Zusammenschluss schlagender Burschenschaften und Studentenverbindungen, von denen einige dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet werden. Seit 2013 wird der Ball von der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) organisiert.
Die FPÖ entstand 1955 aus dem „Verband der Unabhängigen“, der sich selbst als eine politische Vertretung für ehemalige NSDAP-Mitglieder sah. Dass die FPÖ auch als Nachfolgepartei der NSDAP in Österreich bezeichnet wird, kommt nicht von ungefähr: Der erste Parteiobmann war SS-Brigadeführer, bis in die 1980er besetzten ehemalige SS-Mitglieder hohe Posten in der Partei. 20 von 51 Abgeordneten der FPÖ im Nationalrat, dem Parlament, sind in teils rechtsextremen Verbindungen organisiert. Anders als in Deutschland sind Burschenschaften in Österreich nicht nur konservativ, sondern fast ausschließlich rechtsextrem.
Auch Fiona Herzog, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Wien, die als Teil der „Offensive gegen Rechts“ jedes Jahr die Demonstration gegen den Akademikerball organisiert, sieht die Verbindungen zwischen FPÖ und Burschenschaften äußerst kritisch: „Die korporierten deutschnationalen Burschenschaften sind ganz klar stramm rechts. Diese rechtsextremen Burschenschafter spielen eine zentrale Rolle in der FPÖ. Sie sind sehr gut vernetzt im Land, in hohen Justiz-posten und jetzt auch in der Regierung selbst. Sie sind der ideologische Kader der Partei.“ In der Olympia Wien – die als Mitglied des WKR auch jahrelang den Akademikerball organisierte – sind zum Beispiel drei FPÖ-Nationalratsabgeordnete. Sie wird unter anderem vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) als rechtsextrem eingestuft, ebenso wie die Teutonia Wien. Die Olympia engagierte sich unter anderem gegen das NS-Verbotsgesetz, die Teutonia wollte auf einem an der Uni Wien verteilten Flugblatt Ostpreußen, Südtirol und „Deutschböhmen“ an ein vereintes Großdeutschland anschließen. Mitglieder der Gothia zeigten am Vorabend des Akademikerballs den Hitlergruß aus den Fenstern ihres Verbindungshauses.
Auf dem Ball tanzen aber nicht nur Burschenschafter und Parlamentarier aus Österreich, sondern Rechtspopulisten und Rechtsextreme aus ganz Europa. Der Akademikerball ist ein Vernetzungstreffen der politischen Rechten geworden. Front National-Chefin Marine Le Pen, Geert Wilders von der niederländischen Partij voor de Vrijheid, AfD-Rechtsaußen Björn Höcke – sie alle tanzten schon auf dem Akademikerball.
Selbstverständlich wird der Akademikerball von den Wienern nicht einfach hingenommen: 2018 demonstrierten über 10 000 Leute gegen den Ball und die Politik der gerade angetretenen FPÖ-Regierung, bewacht von 3000 Polizisten – bei nur 2500 Ballteilnehmern. 2019 waren es dagegen nur 1600 Demonstranten, bei 1900 Polizisten und 3000 Ballgästen. Laut Ballorganisator Udo Guggenbichler zeigen die hohe Besucheranzahl und die kleine Demonstration, „dass [sie] das Recht haben, in der Hofburg zu tanzen“. Der Rechtspopulismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Von Hannah Steckelberg