Die Reform der Studienplatzvergabe für Mediziner ist beschlossene Sache. In Heidelberg sind die Änderungen weniger weitreichend als erwartet
Spätestens seit dem Koalitionsvertrag 2013 und der Einberufung der Kultusministerkonferenz zwei Jahre später war klar, dass sich einiges ändern wird in der medizinischen Lehre. Neben einer praxisnäheren und kompetenzorientierteren Ausbildung und Prüfungsordnung sollte im Zuge des „Masterplan Medizinstudium 2020“ vor allem die Zulassung zum Studium neu geregelt werden. Ein kontroverses Thema, das angesichts des Grundrechts der Berufswahlfreiheit und der freien Wahl der Ausbildungsstätte in der Vergangenheit für zahlreiche Rechtsstreite gesorgt hatte. Ziel der Reform war es, soziale und kommunikative Kompetenzen sowie einschlägige Berufserfahrung stärker zu gewichten.
Das Abitur sollte angesichts Studien, die eine Korrelation zwischen Abiturnote und Studienerfolg beobachtet hatten, weiterhin ein wichtiges Maß bleiben, aber durch zusätzliche Kriterien entkräftet werden. Mit dem Entwurf eines zwischen den Ländern zu schließenden Staatsvertrags stehen die ersten Änderungen nun fest. Bis zu zwei Zehntel der Plätze sind zunächst Vorabquoten vorbehalten, hierzu zählen beispielsweise Menschen mit Behinderung oder ausländische Staatsangehörige. Auf Länderebene kann außerdem in diesem Rahmen eine Quote für beruflich Qualifizierte ohne Hochschulzugangsberechtigung eingerichtet werden. In Baden-Württemberg ist dies nicht vorgesehen. Die restlichen Plätze werden dann zentral nach Quoten vergeben. Die Abiturbestenquote, bei der nur die erreichte Punktzahl im Abitur zählt, soll von 20 auf 30 Prozent ausgeweitet werden. Abiturienten aus Bundesländern mit strengen Bewertungsmaßstäben wie Bayern oder Baden-Württemberg werden sich freuen, denn in Zukunft sollen die Unterschiede zwischen den Ländern zum Beispiel durch Prozentrangverfahren angepasst werden.
Mit 60 Prozent wird auch weiterhin der Großteil der Plätze durch individuelle Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) vergeben. Jedoch müssen sich diese nun an gewisse Vorgaben halten. War es bis jetzt noch möglich, auch in dieser Quote ausschließlich auf die Abiturpunktzahl zu schauen, müssen in Zukunft noch mindestens zwei weitere schulnotenunabhängige Kriterien gewertet werden. Bei einem muss es sich um einen fachspezifischen Eignungstest handeln. Da in Heidelberg schon seit Langem der Test für Medizinische Studiengänge (TMS), auch bekannt als „Medizinertest“, stark gewichtet wird, wird sich an der hiesigen Universität nichts ändern. Hierbei handelt es sich um einen Eignungstest – konzipiert und koordiniert in Heidelberg – der durch Aufgaben von räumlichem Denken bis naturwissenschaftlichem Verständnis den Studienerfolg der Teilnehmer voraussagen soll. Geschrieben wird er jeden Mai und kann nur einmal im Leben durchgeführt werden. Mittlerweile wird er an 24 Fakultäten deutschlandweit als Maßstab eingesetzt, eine Zahl, die sich in den kommenden Jahren noch erhöhen wird. Aufgrund der starken Gewichtung in Heidelberg ist das Klischee des Heidelberger 1,0-Abiturienten nur noch Geschichte.
Schließlich werden die letzten zehn Prozent der Studienplätze durch eine zusätzliche Eignungsquote vergeben. Diese muss vollständig abiturunabhängig gehalten werden. Da es zahlreiche Bewerberinnen und Bewerber gibt, die schon jahrelang auf einen Medizinstudienplatz warten, wird es eine Übergangsphase geben, in der die gewarteten Semester besonders angerechnet werden. So wird beispielsweise in Heidelberg im Wintersemester 2020/21 für diese Quote die Wartezeit mit 45 Prozent beachtet, der TMS mit 50 Prozent und Bonuspunkte mit 5 Prozent. Ab dem folgenden Jahr wird Wartezeit nur noch mit 30 Prozent gewertet, zugunsten des TMS. Für „Wartezeitler“ wird es in Zukunft immer schwerer werden, einen der begehrten Medizinplätze zu ergattern.
Die Beschlüsse zur Zulassung sind der Anfang von weiteren Änderungen, die auf die Medizin-Fakultäten zukommen. Eines wird sich aber nicht ändern: das Verhältnis der Anwärter für einen Humanmedizinplatz zu der Anzahl der verfügbaren Plätze. Daher werden auch in Zukunft zahlreiche Bewerber ohne Zulassungsbescheid in den Händen dastehen.
Von Lukas Schwaab