Wahlumfragen befeuern die politische Debatte. Komplett verlässlich sind sie nicht
Welche Partei würden Sie wählen, wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre? Die sogenannte Sonntagsfrage hat sich in der politischen Berichterstattung etabliert. Mittlerweile gibt es fast täglich Umfragen zu aktuellen politischen Themen.
Bernhard Kornelius ist Meinungsforscher bei der Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim. Zusammen mit seinem Team entwickelt er den Fragebogen für das ZDF-Politbarometer. Auf Grundlage der Umfragen werden dann Analysen erstellt und an Medienpartner vermittelt. Zusätzlich schreibt er am Wahlabend nach Bundestags- und Landtagswahlen sogenannte „Blitz-Analysen“ für Presseagenturen und verschiedene Medienunternehmen. Dabei analysiert er direkt nach Schließung der Wahllokale, welche sozialen oder demographischen Gruppen welche Partei gewählt haben.
Umfragen stehen manchmal in der Kritik, weil sie angeblich das Ergebnis beeinflussen. Aber können sie Wahlen tatsächlich entscheiden? „Es gibt verschiedene Wirkungshypothesen, die diskutiert werden: Einmal wird der vermeintliche Sieger unterstützt, man möchte also bei den Gewinnern sein. Oder Menschen gehen erst gar nicht wählen, weil die präferierte Partei, der bevorzugte Kandidat oder das gewünschte Regierungsbündnis laut Umfragen keine Chance hat“, erläutert Kornelius.
Trotz aller Sorgfalt können einige Fehler passieren. Bei telefonischen Umfragen kann es die Teilnahmebereitschaft sein, bei Face-to-face-Befragungen die Person des Interviewers, bei Online-Umfragen die Selbstselektion der Teilnehmer oder altersspezifische Muster bei der Internetnutzung. Zudem ist es nicht selten der Fall, dass sich die Ergebnisse der Parteien je nach Umfrageinstitut unterscheiden. Laut Kornelius könnten dafür etwa der Zeitpunkt oder die genaue Formulierung der Fragen verantwortlich sein.
Momentan befinden sich die Grünen im Aufwind. Ob sie bei der nächsten Bundestagswahl stärkste Kraft werden können, ist aber nicht vorhersehbar, da Umfragen immer nur Momentaufnahmen sind.
Die Daten zeigen ein hohes Wählerpotenzial für die Grünen. Ihr tatsächliches Ergebnis bei der nächsten Bundestagswahl hänge aber von vielen Unbekannten ab – wie etwa von der Lebensdauer der Klimadebatte. Gerade die Tage kurz vor den Wahlen werden mit der Zeit immer entscheidender.
Von Jean-Claude Jenowein