Die Opernsängerin Katarina Morfa ist seit dieser Spielzeit neu an der Heidelberger Oper. Ein Blick hinter den Bühnenvorhang zeigt, wie sie sich auf ihre Rolle vorbereitet und warum Oper nicht alt und trocken ist Herzlich begrüßt mich Katarina am Bühneneingang. Sie führt uns bereitwillig durch die verwinkelten Gänge des Theaters, die einem als Zuschauer sonst verborgen bleiben. Die Heidelberger Oper konnte die junge Deutsch-Kubanerin zu Beginn dieser Spielzeit als Neuzugang begrüßen. Katarina Morfa singt seit kurzem die Suzuki in Giacomo Puccinis „Madama Butterfly“.
Opernsänger ist für viele nicht gerade die naheliegendste Berufswahl – auch für Katarina nicht. Nachdem der Plan ihrer Mutter für sie, Turnerin zu werden, nicht aufging, musste eine Alternative her. „Ich habe als kleines Mädchen schon gerne vor mich hingeträllert. Ich komme aber aus keiner musikalischen Familie, deswegen konnte ich mir das auch nie als Karriere vorstellen.“ Als es darum ging sich zu entscheiden, was sie beruflich machen möchte, waren die Noten für Psychologie zu schlecht und die Leidenschaft für die Musik zu groß. Die Unterstützung ihrer Eltern war ihr dabei immer sicher: „Meine Mama ist bei fast jeder Vorstellung dabei und mein Papa bricht jedes Mal in kubanische Krokodilstränen aus.“
Auf die Suzuki, ihre aktuelle Rolle, freut sich die Dreißigjährige besonders. „Ich bin neu hier am Theater und habe mich riesig gefreut, gleich mit so einer Oper anzufangen.“ Man kann sich nämlich nicht aussuchen, was man singt. Das Theater legt fest, welcher Sänger welche Rollen übernimmt. Absagen geht nicht. Fragt man die Deutsch-Kubanerin nach der Rolle, beginnt sie zu schwärmen: „Das ist so krass, das Stück! Es ist so unglaublich, was dieser Puccini da geschrieben hat! Das ist wie richtig saftig-geile Filmmusik!“ Suzuki ist die beste Freundin der Protagonistin Butterfly. Diese wurde von ihrem Mann mit seinem Kind, von dem er nichts weiß, sitzengelassen. „Die Handlung ist schon ein bisschen Telenovela. Aber durch die Musik wird das unglaublich heftig und emotional. Da muss ich schon aufpassen, auf der Bühne nicht zu weinen.“
Auf die Frage, ob sie vor dem Auftritt zur Vorbereitung Yoga macht, sich an die Noten klammert oder einen Schnaps trinkt, entgegnet sie lachend: „Versucht habe ich schon alles. Geholfen hat es aber nicht. Jetzt freue ich mich nur noch tierisch darauf, endlich auf die Bühne zu gehen. Nach sechs Wochen Probenzeit kann man es kaum erwarten, für ein Publikum zu spielen. Dann ist es unser Stück und nicht mehr das des Komponisten oder des Regisseurs.“ Zu Beginn der Probenphase erarbeiten sich die Musiker den Text und die Musik selbst. Mal mit Klavier, mal mit, mal ohne Kostüm. In den darauffolgenden Wochen kommen dann immer mehr Elemente dazu, bis die fertige Oper steht. Der Tag des Auftritts ist ganz auf den Abend ausgerichtet. „Ich gehe dann am liebsten Joggen, esse gut und meditiere.“
Lampenfieber hat Katarina Morfa kaum noch. „Mir helfen die Kostüme, das Bühnenbild und die anderen Sänger wahnsinnig. So eine Oper ist zu 99 Prozent Teamwork.“ Diese Gemeinschaft ist es auch, die ihr an dem Beruf am besten gefällt: „Hier arbeiten hunderte Menschen von überall auf der Welt zusammen und schaffen es, ein kleines Meisterwerk auf die Bühne zu bringen. Das ist was ganz besonderes.“
Ob bei so viel Vorbereitung noch Pannen passieren? „Aber sowas von!“ Katarinas persönlicher Albtraum ist einmal wahr geworden, als sie mitten im Stück keine Ahnung mehr hatte, was sie zu singen hat. „Ich hatte ein völliges Blackout, das war richtig gruselig. Aber wir sind auch nur Menschen, dann muss man eben improvisieren.“ Solche Situationen sind aber eher die Ausnahme. Viel anfälliger für Pannen ist der Umgang mit der Requisite. Ganz oben auf der Liste: Kunstblut. „Einmal ist das ganze Blut in meinem Gesicht, statt auf dem theatralisch Sterbenden gelandet.“ Ein Plot-Twist für alle Beteiligten.
Wenn sie von ihrem Beruf erzählt, ist es schwer zu glauben, dass Oper eine verkrampfte Angelegenheit sein soll. „Das angestaubte Image, hat mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun. Die Diva mit dem grünen Samtkleid gibt es schon lange nicht mehr.“ Insbesondere das junge Publikum bleibt solchen Veranstaltungen aber zunehmend fern. Dabei kann man jeden Abend ein kleines Unikat erleben. „Für Studierende kostet das sogar nur die Hälfte!“
Von Svenja Schlicht
Svenja Schlicht machte im Sommer 2020 ihren Bachelor in Politikwissenschaft und Ethnologie an der Uni Heidelberg. Von Februar 2020 bis August 2020 leitete Sie das Feuilleton. Theater und Kultureinrichtungen waren aber bereits seit Oktober 2019 vor der ruprecht-Redakteurin nicht mehr sicher. Jetzt studiert sie an der Kölner Journalistenschule und freie Journalistin.