Studierende zeigen wenig Interesse an Hochschulpolitik. Das Recherchezentrum Correctiv sucht nach Gründen für die Politikverdrossenheit
Demokratie ist wichtig, auch an den Hochschulen. Studierende können sich dort in eigenen Vertretungen für ihre Interessen einsetzen. So können sie beispielsweise Studierende mit Notfallstipendien unterstützen oder Beratungsstellen gegen Diskriminierung jeglicher Art einrichten.
Auf diese Weise machen Verfasste Studierendenschaften (VS) vieles möglich. Sie bestehen aus den Studierenden einer Hochschule und verfügen über eigene Finanzen. Diese studentische Form der Selbstverwaltung gibt es in allen Bundesländern außer Bayern. Die demokratische Vertretung der VS ist in Heidelberg der Studierendenrat (StuRa), der sich aus Fachschaftsvertretern und Vertretern von Hochschulgruppen, den sogenannten Listenvertretern, zusammensetzt. Alle immatrikulierten Studierenden haben das aktive (sie dürfen wählen) und das passive Wahlrecht (sie dürfen gewählt werden). Die studentischen Vertreter setzen sich bei Konflikten mit der Hochschulleitung für die Studierenden ein. So bietet der StuRa Heidelberg beispielsweise eine kostenlose Rechtsberatung, die unter anderem Themen wie Hochschul- und Prüfungsrecht oder BAföG behandelt. Außerdem kann die VS Stellung zu der hochschulpolitischen Entwicklung auf Bundes- und Landesebene beziehen und sich für bessere Studienbedingungen einsetzen.
VS und StuRa haben also einen direkten Einfluss auf das Leben der Studierenden.
Doch die Hochschulpolitik steckt in der Krise: Nur wenige Studierende interessieren sich für den StuRa oder die Hochschulwahlen. Mit einer Wahlbeteiligung von 14,84 Prozent bei der letzten StuRa-Wahl befindet Heidelberg sich bereits im guten Mittelfeld: An den meisten deutschen Hochschulen kommt die Wahlbeteiligung kaum über zehn Prozent.
Aus diesem Grund hat das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv das Projekt „Warum wählst du?“ ins Leben gerufen. Mit einem Online-Fragebogen, einem sogenannten CrowdNewsroom, wollen die Initiatorinnen herausfinden: Wie demokratisch und transparent arbeiten Verfasste Studierendenschaften? Warum ist die Wahlbeteiligung so niedrig? Erschweren Hochschulleitungen die Arbeit der VS? Was kann man besser machen? Wo gibt es positive Beispiele?
Zusammen mit Studierenden aus ganz Deutschland ist dafür Ende August der CrowdNewsroom gestartet. Ziel der gemeinsamen Recherche ist es, mit Studierenden aus ganz Deutschland die Demokratie an Hochschulen zu stärken.
Die Recherche will über die Arbeitsweise von Studierendenschaften informieren. Denn wer sich damit auskennt, kann sich selbst besser einbringen. Außerdem gibt es bisher kaum umfassende Daten über Studierendenschaften in Deutschland. Das soll die Recherche ändern. Studierendenschaften sollen dazu angehalten werden, ihre Arbeit stärker offenzulegen. Nur so ist demokratische Kontrolle möglich. Die Recherche soll die Debatte über Hochschulpolitik wieder anregen und Studierende miteinander ins Gespräch bringen.
So kannst Du mitmachen: Du kannst über die Online-Plattform „Warum wählst Du?“ von der Situation an Deiner Hochschule erzählen und Informationen übermitteln. Deine Daten werden natürlich vertraulich behandelt. Der CrowdNewsroom läuft online bis einschließlich 15. Dezember.
von Stefanie Weber
Stefanie Weber studiert Übersetzungswissenschaft und schreibt seit SoSe 2018 für den ruprecht. Dabei berichtet sie am liebsten über die brisante hochschulpolitische Landschaft in Heidelberg. Seit WS 19/20 leitet sie das Ressort Hochschule.