Eine Gruppe von mehr als 11 000 Wissenschaftlern hat den weltweiten Klimanotstand ausgerufen. Obwohl Experten seit geraumer Zeit vor dem Klimawandel warnen, erreichen die Bemühungen der wissenschaftlichen Gemeinschaft mit dem aktuellen Massenaufruf eine neue Qualität.
Der Klimawandel schreitet nicht nur immer weiter voran – sondern auch schneller, als Wissenschaftler sich das lange gedacht hatten. Immer wieder mussten sie ihre Prognosen nach oben korrigieren. Gerade in den letzten Jahren haben sie auch vor drastischen Worten nicht zurückgeschreckt. Der Klimawandel dürfte „unermessliches menschliches Leid“ auslösen, so das Team um William Ripple von der Oregon State University. Auch seien die Überbevölkerung der Erde mit Menschen und Nutztieren, der Ausstoß von Treibhausgasen sowie das Ausmaß des Fleischkonsums „zutiefst verstörend“, schreiben die Wissenschaftler.
Öffentliche Diskussionen um die Erderwärmung verengen sich oft auf steigende Meeresspiegel und heißere Sommer. Tatsächlich schmilzt das Eis an den Polen ab, Gletscher schwinden dahin, und für die Küstenregionen wird es in Zukunft eng. Bis zum Ende des Jahrhunderts dürfte die weltweite Durchschnittstemperatur um einige Grad ansteigen. Das gesamte Ausmaß der Klimaschäden umfasst jedoch deutlich mehr Folgen – und viel verheerendere.
Es beginnt mit extremen Wetterereignissen. Diese haben seit 1980 stetig zugenommen, im Schnitt um mehr als vier Prozent pro Jahr. Das wird vor allem die Länder um den Äquator betreffen. Obwohl sie nur wenig zum Klimawandel beigetragen haben, dürften sie am stärksten unter ihm leiden. Ernteeinbußen und Wetterextreme werden sich hier besonders stark bemerkbar machen.
Eine besonders drastische Folge des Klimawandels ist das sechste große Artensterben der Weltgeschichte. Das letzte Ereignis dieser Art ist allgemein bekannt. Es geschah vor 66 Millionen Jahren, als ein Meteorit die Dinosaurier und viele andere Lebensformen auslöschte. Insgesamt sind so rund drei Viertel aller damaligen Spezies ausgestorben.
Das heutige Massensterben ist in vollem Gange. Milliarden von Tierpopulationen wurden so bereits vom Erdboden getilgt. Das zeigt sich etwa an ihren Territorien: Bis 2015 hatte fast die Hälfte von ihnen mehr als 80 Prozent ihrer Gebiete eingebüßt. Afrika, Australien und vor allem Asien sind besonders stark vom Aussterben betroffen. Europa und die amerikanischen Kontinente sind vergleichsweise glimpflich davongekommen. Mehr als 26 000 Spezies sind heute akut bedroht. Noch drastischer ist das Bild, wenn man den Bestand an einzelnen Tieren berechnet. Ihre Zahl hat sich seit 1970 mehr als halbiert.
Der Verlust an Biodiversität ist nicht nur um der Tiere selbst willen bedauerlich. Wenn ganze Ökosysteme aus dem Gleichgewicht geraten, gefährdet das letztlich den Menschen selbst. Die eingefahrenen Wege der Natur sind unerlässlich, wenn es etwa um die Versorgung mit sauberer Luft und Trinkwasser geht. Auch die Befruchtung von Nutzpflanzen ist bedroht, wenn der Bestand von Tieren wie der Biene weiter dezimiert wird.
Die Autoren des neuen Appells rufen daher auch zu raschem und entschlossenem Handeln auf. Sie nennen insbesondere die Bereiche Naturschutz, Nahrungsmittelversorgung, Wirtschaft, Bevölkerungsentwicklung und Energie. Dabei heben sie auch auf die jüngsten Protestbewegungen hervor. Die Lage sei ernst, aber nicht hoffnungslos.
Von Lukas Jung
Lukas Jung studiert Philosophie und Politikwissenschaft. Er schreibt seit SoSe 2018 für den ruprecht – vor allem über Wissenschaft, Investigatives und Stadtentwicklung. Seit SoSe 2019 leitet er das Ressort Wissenschaft. ruprecht-Urgestein.