Asbest im Anglistischen Seminar, keine Heizung in den Altertumswissenschaften und eine einsturzgefährdete Jurabibliothek – aber auch Asbest im Biologischen Institut, kalte Zugluft aufgrund undichter Fenster und kaputte Türen in der Geographie sowie Ratten in vielen Kellern des Neuenheimer Feldes. Entgegen der Annahme vieler Geisteswissenschaftler ist der Sanierungsstau der Universität kein reines Altstadtproblem. Alle drei Campus sind betroffen, jedes Institut kämpft gegen den Zahn der Zeit.
800 Millionen Euro beträgt der Sanierungsstau in Heidelberg. Und dann, so denkt sicher der ein oder andere Altstadtstudi, kommt so eine dahergelaufene Stiftung eines Multimilliardärs, die wie alle Stiftungen wieder nur Mathematik und Naturwissenschaftler fördert, und baut das Mathematikon. Alle anderen Institute sind ganz blass vor Neid, da verkündet die Stiftung des verstorbenen SAP Gründers Klaus Tschira, dass sie auch ein komplett neues Audimax im Feld bauen wird und die Geisteswissenschaftler schäumen vor Neid.
Nur: Dass Klaus Tschira beschlossen hat, mit seiner Stiftung die Naturwissenschaften, die Mathematik und die Informatik zu fördern, ist zwar schade für die Geistes- und Sozialwissenschaften, aber auch sein gutes Recht. Schließlich kosten die teuren Geräte der Physiker und Molekularbiologen mehr als die Reclamheftchen der Germanisten.
Es ist schade, dass man lieber schicke Neubauten baut, als dringend notwendige Sanierungen tätigt. Es ist aber nicht die Schuld der Klaus-Tschira-Stiftung, dass das Land Baden-Württemberg die Infrastruktur der Universitäten seit Jahren vernachlässigt und verfallen lässt und dass der Bund gar kein Geld zum Hochschulbau bereitstellt. Und es sollte auch nicht die Aufgabe privater Stiftungen sein, Universitäten zu sanieren und zu sichern.
Dass die Klaus-Tschira-Stiftung der Universität ein Audimax spendet, ist sehr großzügig und eine gute Sache und es sei den Naturwissenschaftlern gegönnt. Aber dieses neue Audimax ist nichts anderes als ein schickes Pflaster auf einem asbestinfizierten Wunde. Denn das wahre Problem ist, dass das Land kein Geld zur Sanierung stellt. Das wahre Problem sind die fehlenden 800 Millionen Euro, die es bräuchte, um die Universitätsgebäude vor dem Verfall zu retten.
von Hannah Steckelberg
Hannah Steckelberg studiert Osteuropastudien und Germanistik im Kulturvergleich. Seit 2016 ist sie beim ruprecht – erst nur als Fotografin, seit 2017 auch als Autorin. Am liebsten schreibt sie Reportagen aller Art sowie ihre Kolumne “Hochschule bleibt stabil”. 2019/20 leitete sie zwei Semester lang das Ressort Seite 1-3, inzwischen lebt sie in Wien.