Durch einen Zufall lernten sich der Physikstudent Marius Blaesing und Wirtschaftsingenieur Christian Wiens über eine Facebook-Gruppe für Start-up-Interessierte kennen. Zusammen gründeten sie das Start-up Getsafe. Im Gespräch wirkt der Chief Technical Officer (CTO) anders als andere Physikstudenten, seine Sprache ist durchsetzt von Anglizismen, ökonomischen Fachtermini und dem ein oder anderen Buzzword. Marius studierte von 2009 bis 2014 Physik in Heidelberg. Schon während des Studiums interessierte er sich für das Thema Unternehmensgründung. Neben einem Kurs für Entrepreneurship an der Uni absolvierte er Praktika im Bereich Unternehmensberatung. Doch er stellte schnell fest, dass er nicht für andere Unternehmen als Berater tätig sein, sondern selbst gründen möchte.
Getsafe hat eine App entwickelt, mit der man den kompletten Versicherungsvertrag abschließen kann. Auf dem Smartphone können Kunden ihre individuelle Versicherung zusammenstellen und ändern. „Neben der reinen Versicherungsleistung stellt Getsafe den Kunden Zusatzinformationen zu ihrer jeweilen Lebenssituation bereit. Am Ende vom Tag wollen wir, dass die Leute sicherer leben und sich mehr Dinge im Leben trauen zu machen“, wirbt Marius.
Die niedrigen Preise kommen daher, dass es keine Zwischenmakler gibt wie bei herkömmlichen Versicherungen. Die Nutzer zahlen auch mit ihren Daten, die für Analysen zur Risikobewertung verwendet werden. Ein hohes Risiko kann sich im Preis niederschlagen.
Das Unternehmen hat seinen Sitz in der Bahnstadt. Die Büroräume haben teilweise deckenhohe Fenster und sind im Gebäude des Design Office untergebracht. Aktuell hat Getsafe 70 Mitarbeiter. Die einzelnen Ressorts sind im Großraumbüro zusammengelegt. Das internationale Team hat, wie es sich für die Branche gehört, sehr flache Hierarchien. Frauen sind allerdings nur im mittleren Management zu finden, die Top-Positionen werden von Männern besetzt.
Zum Portfolio gehören private Haftpflichtversicherung, Fahrradschutzversicherung, aber auch speziellere Versicherungen wie beispielsweise eine Drohnenversicherung. Durch die App-basierte Kommunikation fallen Hotline-Anrufe mit langer Warteschleife weg. Im Versicherungsfall kann über die Applikation der Schaden gemeldet werden und innerhalb weniger Tage bekommen die Versicherten ihr Geld zurück.
Mit der ersten Gründungsidee, eine sichere und bessere Cloudspeicher-Variante als Dropbox anzubieten, scheiterte Marius. Dafür ist seine Zweite umso erfolgreicher. Seit der Gründung 2015 hat Getsafe über 80 000 Policen verkauft. Der Umsatz liegt dabei im einstelligen Millionenbereich. Besonders beliebt ist die Reisekrankenversicherung. „Das liegt daran, dass es viele Studierende gibt, die ihre erste Reise oder ein Auslandssemester außerhalb der EU machen wollen. Das wird von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gedeckt.“
In der Regel schließen die Kunden eine Versicherung ab und bei Zufriedenheit weitere. Die Zielgruppe sind die sogenannten Millennials: Im Durchschnitt sind die Nutzer 29 Jahre alt, überwiegend männlich und stehen am Anfang ihres Berufslebens.
Bis Jahresende ist der Markteintritt in Großbritannien geplant, kurz darauf soll Österreich folgen. Die Technologie funktioniert also zumindest in der Theorie auch bei einem Umzug ins europäische Ausland.
von Jean-Claude Jenowein