Aus Sorge vor einer Union zwischen Russland und Weißrussland protestiert die Opposition in Minsk. Der Widerstand bleibt aber überschaubar
Der belarussische Präsident Aljaksandr Lukaschenka betont, dass Belarus „nie geplant hat und nicht plant, Teil eines anderen Staates zu werden.“ Tatsächlich steckt Lukaschenka seit seiner Wahl vor 25 Jahren in der Falle.
Vor mehr als 20 Jahren haben Russland und Belarus einen Vertrag geschlossen, der eine gemeinsame Währung, ein gemeinsames Parlament und einen gemeinsamen Gerichtshof vorsah Im Gegenzug werden gewisse Privilegien gewährt. So darf Belarus günstig und zollfrei russisches Öl und Gas importieren.
Der Plan wurde abseits der wirtschaftlichen Vorzüge nie realisiert, denn die Beziehungen waren schon immer instabil. Mal stoppte Russland die Öllieferungen, woraufhin Minsk Geld nach Moskau überwies. Mal drohte Belarus, sich an den Westen zu binden, damit Russland wieder Öl liefert. In diesem Jahr fiel dieses Privileg dauerhaft weg. Putins vordergründiges Ziel ist, die Ölpreise an den Weltmarkt anzugleichen. Das will er erreichen, indem er die Exportzölle senkt und die Ölförderung direkt besteuert. Für Belarus bedeutet das nicht nur, dass sich der zollfreie Einkauf von russischem Öl nicht mehr lohnt, sondern auch, dass das Land einen schweren wirtschaftlichen Schaden erleiden wird. Belarus finanziert mit den russischen Subventionen unter Anderem die Sozialleistungen.In Russland verbreiten sich allerdings Gerüchte, dass Putin andere Motive hat: Die russische Verfassung erlaubt Putin nicht, 2024 wieder zu kandidieren. Denn die Verfassung verbietet es, dass eine Person das Präsidentenamt mehr als zwei Amtszeiten in Folge innehält. Ein Unionsstaat mit Belarus könnte es Putin allerdings erlauben, nicht in Rente gehen zu müssen: Er könnte statt Russland den Unionsstaat regieren.
Die russische Zeitung Kommersant nennt das Programm „ein durchaus radikales Projekt“, da es einen höheren Integrationsgrad haben soll als die Europäische Union. Belarus wird sich an Russland anpassen müssen, schließlich ist die russische Wirtschaft 30-mal größer. Belarus wird wahrscheinlich russische Gesetze übernehmen. Zwar betont die Zeitung, dass das Programm weit davon entfernt ist, die beiden Länder zu vereinen.
Die belarussische Opposition befürchtet trotzdem eine Annexion. Belarus ist sich in dieser Frage nicht einig, selbst der Präsident scheint keine einheitliche Meinung zu haben. Seit der Ukrainekrise sucht Lukaschenka immer stärker seinen eigenen Weg: Belarus erkennt die Krim als Teil der Ukraine an, der Staat fördert immer mehr die belarussische Sprache, für die man von 20 Jahren noch von den Polizisten geschlagen wurde, weil sie als Zeichen einer oppositionellen Gesinnung galt.
Nun war es aber Lukaschenka, der anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Vertrags vorgeschlagen hat, ein neues Integrationsprogramm zu verabschieden.
Von Eduard Ebert