Umgedichtete Weihnachtslieder, selbstgemachte Plätzchen – und viel nackte Haut: Am Freitagnachmittag führte die gesellschaftskritische Aktivismusgruppe Extinction Rebellion (XR) eine aufsehenerregende Aktion in der Heidelberger Altstadt durch. Sechs Aktivistinnen und Aktivisten zogen sich bis auf die Unterhosen aus und platzierten sich im Schaufenster einer großen Modekette in der Hauptstraße. Auf ihren Körpern waren konsumkritische Botschaften wie „Wa(h)re Weihnachten?“ und „Heute Mode, morgen Müll“ zu lesen. Nach einigen Minuten wurden die Rebellinnen und Rebellen im Schaufenster von Mitarbeiterinnen bemerkt, woraufhin sie ruhig das Geschäft verließen und sich noch kurzzeitig vor die Fenster stellten.
Die Aktion zeigte unmittelbar Wirkung. Die Bewegung war mit rund 50 Beteiligten erschienen, die die Straße bis auf einen schmalen Durchgang blockierten. Lauthals wurde die eigene Version traditioneller Weihnachtslieder gesungen (wie „Stille Welt, tote Welt“ oder „Leise steigt CO2“) und es wurde mit Plätzchen und Flyern auf Vorbeigehende zugegangen. Diese zeigten durchmischte Reaktionen: Die einen riefen überheblich kopfschüttelnd „Oh Mann, die Klimagretel!“, während andere aktiv und interessiert auf die Informierenden zugingen. Auch einige eifrig shoppende 14-Jährige kamen kichernd zur Erkenntnis, worum es hier eigentlich ging: „Ah, Klima!“. Die Mehrzahl der Passierenden jedoch blieb stumm, mit starr nach vorn gerichtetem Blick.
Knapp eineinhalb Stunden harrte Exctinction Rebellion Heidelberg am nasskalten Freitag in der Hauptstraße aus. Sicher genug, um in der geschäftigen Vorweihnachtswoche vielen Menschen zu begegnen und aufzufallen – und bei ihnen ins Schwarze zu treffen. Die Bewegung sieht gesellschaftliche Phänomene wie den Konsum überflüssiger, kurzlebiger Produkte und die Wegwerfmentalität als Kernfaktoren, die die Klimakrise begünstigen. Ihr Credo: „Zeit schenken statt Zeug“.
Die Idee zu der freizügigen Aktion ist nicht neu: Auch in anderen Städten fanden zuletzt Protestaktionen in Schaufenstern von Klimasündern statt. Die schnell wachsende Gruppierung ist bekannt für gezieltes Schockieren sowie die Methode des zivilen Ungehorsams und wird dafür teils kontrovers diskutiert. Diesmal war keine Polizei anwesend.
Von Lara Stöckle