Der Heidelberger Liebesstein am Neckarufer: Einen Stein und nicht mehr die Brücke als Ort der Liebesbekräftigung will Heidelberg bieten und zugleich noch mehr Touristen anlocken.
„Wir ziehen Besucher auf die andere Seite des Neckars und bieten ihnen auf den Nepomuk-Terrassen eine tolle Fotoperspektive, die so bisher nicht bekannt war“, sagt das Stadtmarketing. Der angeblich von Rom ausgehende Trend überschwemmt Europa, ja die Welt mit Liebesschlössern, nun auch Heidelberg. Das Stauwehr ist bereits behangen, um dies auf der Alten Brücke einzudämmen, stellte die Stadt Heidelberg einen Stein auf.
Dort können Verliebte ihre Liebe an Metallösen ketten. Der Geniestreich der Stadt hat eine runde Öffnung – perfekt für Fotos – damit die Tagestouristen, mit dem Schloss im Hintergrund, ihre Liebe doppelt verewigen können. Leider ist das Heidelberger Schloss nicht durch das Loch im Stein zu sehen, ein Nachteil für die Handy- und Tablet-Fotografen, die nach dem typischen Motiv suchen. Doch der Plan der Stadt geht auf, ein just getrautes Ehepaar begleitete die Einweihung und positionierte das erste Schloss vor Presse und Bürgermeister. Die Facebookseite des Steines hat schüchterne neun Fans. Farblich an das Schloss und die Alte Brücke angepasst, ist die Farbe der Liebe der des Steines gleich, dies kann jedoch nicht über Planungsfehler hinwegtäuschen: Nur Geübte werden den Schlüssel von der Nepomuk-Terrasse in den dreckigen Neckar werfen können.
Die Chance, seine Beziehung für immer zu sichern, ist an dem innovativen Heidelberger Schlosshalter besonders hoch. An anderen Brücken wurden die Schlösser aus Sorge um die Statik herzlos entfernt. Die Satireseite „Der Postillion“ titelte: „Über 2000 Beziehungen nach Entfernung von Liebesschlössern zerbrochen“. In Köln sperrte man einen vorbestraften Mann weg, weil er das Altmetall von der Hohenzollernbrücke klaute, um es zu verkaufen. Kunstkenner heben den Zeigefinger und verweisen auf die konfuse Wirkung des Loches und erinnern an Freuds Traumdeutung. Auch die Form des Steines unterstützt diese Interpretation als Vereinigung beider Formen. „Der Bildhauer hat sich mit diesem Kunstwerk zwar keinen Stein im Brett bei den Einwohnern geschaffen, aber immerhin ein Loch im Stein hinterlassen“, bemerkt eine Studentin.
Es ist der Platz der großen Gefühle: Verliebte schmusen am Stein und Verlassene trauern an ihrem Liebesbeweis. Alle anderen sollten diesen Platz meiden. Niemand will mit privaten Angelegenheiten anderer in der Öffentlichkeit konfrontiert werden. Die dort Weilenden möchten nicht begafft werden. Verirrte erkennen an der Goldplakette ihr freches Verhalten: Das Gedicht „Der Blick“ von Joseph von Eichendorff soll die Daseinsberechtigung des Steines nahelegen. Immerhin sollen die Verehrte des Dichters und der Stein im gleichen Wald gefunden worden sein. Der Legende nach lassen die Liebenden ihren Schlüssel im Schloss stecken und ein anderer schmeißt ihn ins Wasser. Die Risiken der Tradition sind hoch, selbst in der Stadt der Studentenromantik: Nüchtern nimmt man das selbst in die Hand!
Von Dominik Waibel