Dieser Artikel erscheint im Rahmen unserer Corona-Onlineausgabe.
Am 23. April begann dieses Jahr der für die Muslime heilige Monat Ramadan, der am Samstag, den 23. Mai endet. Während dieses Monats fasten Muslime in aller Welt und feiern die Offenbarung des Korans. Tagsüber wird weder getrunken noch gegessen, nach Sonnenuntergang findet dann der Iftar statt, bei dem das Fasten gebrochen und gemeinsam gegessen wird. Es ist für viele Gläubige der wichtigste Monat des Jahres. Man stärkt seine Verbindung zu Gott und beschäftigt sich viel mit dem Koran. Zudem sollen Gebete besonders in diesem Monat erhört werden.
Diese Zeit ist in muslimischen Gemeinden von sehr vielen gemeinschaftlichen Traditionen geprägt. Täglich wird nach Sonnenuntergang gemeinsam das Fasten gebrochen und gebetet. Es werden Familienmitglieder, Bekannte und Freunde nach Hause eingeladen, um gemeinsam das Fasten zu brechen und zu essen. Um andere an den Traditionen teilhaben zu lassen, wird auch Nachbarn Essen vorbeigebracht und viele Muslime laden Freunde und Bekannte anderer Religionen ein, um ihre Traditionen mit ihnen zu teilen. Der Ramadan ist somit ein sehr spiritueller, aber auch sehr von Gemeinschaft geprägter Monat des muslimischen Kalenders.
Während dieser Zeit wird normalerweise auch besonders viel von Gemeindemitgliedern an kleinere Moscheen gespendet oder es werden die Kosten für das Essen des Iftar übernommen. Kleinere Moscheen oder Gebetshäuser sind auf diese Spenden angewiesen und müssen nun oft ohne diese auskommen. Außerdem wird während des Ramadans an gemeinnützige Organisationen gespendet, die weltweit Menschen, die in Armut leben, unterstützen und versuchen allen Muslimen Essen bereitzustellen, um das Fasten brechen zu können.
Geschlossene Moscheen
Die Auswirkungen der Pandemie sind für Muslime groß. Moscheen in ganz Deutschland sind geschlossen und das Kontaktverbot erlaubt keine gemeinsamen Treffen oder Feste. Der sonst so familiäre Monat findet dieses Jahr nun hauptsächlich zu Hause und im kleinen Familienkreis statt. Dass viele gemeinsame Feste und Zusammenkünfte ausfallen, ist für viele Muslime eine große Veränderung. Auch in Heidelberg sind Moscheen geschlossen und auch muslimische Studierende erleben den Monat anders als sonst. Sie sind mit ihren Familien zu Hause und feiern nur im engen Familienkreis. Verwandte und Bekannte erreichen sie per Telefon oder Post und wünschen Ihnen auf diese Weise einen frohen Ramadan. Ihre Freunde sehen sie nicht in der Moschee, laden sie auch nicht ein und auch Nachbarn können sie kein selbstgekochtes Essen vorbeibringen.
Auch die türkisch Islamische Gemeinde in Heidelberg spürt in dieser Zeit die Auswirkungen der Pandemie. Um den Gemeindemitgliedern aber etwas Normalität zu gewährleisten würden sie aber wichtige Traditionen wie die Rezitation und das gemeinsame Lesen des Korans aus der Zentralmoschee heraus über die sozialen Medien übertragen, sagt eine Sprecherin der Gemeinde. Zudem seien junge Leute dazu motiviert worden den Gebetsruf zum Iftar über die sozialen Medien zu posten.
Studierende fasten
Mona, Studentin in Heidelberg, bricht das Fasten mit Freunden gemeinsam über Face Time oder Skype, um so das Gefühl von Gemeinschaft aufkommen zu lassen und sich zu „sehen“. Auch die Studentin Beyza erlebt Ramadan normalerweise mit vielen verschiedenen Menschen und sagt, dass das Fasten sonst täglich mit anderen Leuten gebrochen wird. Die Tage seien also sehr unterschiedlich. Dieses Jahr sagt sie, sei aufgrund der Pandemie jeder Tag für sie gleich und das fröhliche Gefühl, das normalerweise mit diesem Monat einhergeht, fehle.
Feyza, auch Studentin, findet es normalerweise einfacher zu fasten, wenn sie die Uni besucht oder arbeitet. Die Routine und Beschäftigung helfe ihr, sich vom anfänglichen Hungergefühl abzulenken. Trotz der Pandemie merke sie aber, dass Menschen während des Ramadans besonders höflich sind und mehr auf ihre Mitmenschen achten. Auch fühle sie gerade jetzt, wo die Gemeinschaft fehlt, eine besondere Dankbarkeit für die Familie und auch für die Möglichkeiten, die sie sonst im täglichen Leben hat.
Auch Beyza findet es einfacher, mit einer Struktur den Tag zu planen, um das Fasten etwas in den Hinterkopf zu rücken. Gerade die viele Zeit zu Hause und die damit aufkommende Langeweile verstärke den Wunsch, etwas zu essen. Dabei sei es für sie aber nicht ausschlaggebend, ob andere, zum Beispiel in der Uni, in ihrem Umfeld essen. Eher die Beschäftigung sei für sie wichtig.
Alle drei sind sich aber einig: der Ramadan fällt dieses Jahr weniger fröhlich aus, als sonst. Auch Telefongespräche oder virtuelle Treffen können das physische Beisammensein zu Hause und in der Moschee nicht ersetzen.
Von Luisa Hinke Martínez