„Wir waren hier!“ hat wohl jeder von uns schon einmal auf die Schulbank gekrakelt oder in die Unterseite eines Jugendherberge-Hochbettes geritzt. Keiner von uns würde damit rechnen, dass in einigen Jahrzehnten rund 2,1 Millionen Euro für den Erhalt dieses kleinen Akts des Vandalismus investiert werden. Genau diese Summe soll nun nämlich für die Sanierung des historischen Studentenkarzers bereitgestellt werden, genauer: für die detailgetreue Bearbeitung der Wandmalereien, die Generationen von Studenten dort während ihrer Haft hinterlassen haben.
„Bereits 2019 hat sich die Universität für eine Restaurierung stark gemacht“, erklärt die Abteilung Kommunikation und Marketing der Universität. Durch die Unterstützung der Heidelberger Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner, Lothar Binding und Karl Lamers wird das Vorhaben nun im Rahmen des Denkmalschutz-Sonderprogramms der Regierung mit 500 000 Euro bezuschusst. Es gibt viel zu tun: Sowohl der rege Museumsbetrieb, als auch natürliche Verfallserscheinungen haben ihre Spuren an Wänden und Inventar hinterlassen, sodass eine aufwändige Sicherung und Ausbesserung der bemalten Putzschichten dringend notwendig geworden ist. Auch Dach und Fassade sowie Fenster, Türen und Vergitterungen müssen restauriert werden, damit das einzigartige Zeitzeugnis für die Nachwelt erhalten bleibt.
Mit der Gründung der Ruperto Carola im vierzehnten Jahrhundert erhielt diese für Mitglieder und Studenten eine eigene akademische Gerichtsbarkeit, wonach kleinere Vergehen von der Universität selbst geahndet wurden. Erst 1914 wurde diese endgültig abgeschafft und der Karzer in den Siebzigern schließlich zum Kultort und Touristenmagnet: Mittlerweile besuchen jährlich rund 80 000 Reisende das ehemalige Studentengefängnis.
Die ältesten erhaltenen Malereien stammen aus dem 18. Jahrhundert und wurden noch mit einfachem Kerzenruß angefertigt. Später brachten die Insassen eigene Farben mit, um sich wie ihre Kommilitonen dort zu verewigen – eine Haft im Karzer gehörte mittlerweile vor allem in Studentenverbindungen zum guten Ruf.
Um die flächendeckenden Zeichnungen genauer zu verstehen, hat das Landesamt für Denkmalpflege ein Projekt bei dem Heidelberger HGIS Club in Auftrag gegeben. Unter Leitung von Professor Martin Untermann sollen hier die einzelnen Zeichnungen mit Namen, Daten und Geschichten verknüpft werden. Ferhat Neptun ist Hilfskraft am Projekt und weiß von den Schwierigkeiten, die diese Arbeit mit sich bringt: „Es ist nicht möglich, über jedes Bild etwas zu finden.“ Zwar sind die Insassen im sogenannten Karzerbuch und in den Disziplinarakten der Universität gut dokumentiert, doch immer wieder ist ein Name nicht lesbar oder eine Zeichnung nicht signiert. Das Stöbern in Archiven und das mühsame Rekonstruieren der Hintergrundgeschichten faszinieren Neptun dennoch: „Es ist eine lustige Detektivarbeit.“
Die Vergehen, die er dort geschildert findet, geben einen spannenden Einblick in die Studentenkultur der letzten Jahrhunderte: Trunkenheit, illegales Duellieren mit Kommilitonen, Beleidigung von Wachmännern als „Polypen“ und Beschädigung von Straßenlaternen. Manches davon kommt auch Studierenden aus dem 21. Jahrhundert gar nicht mal so fremd vor – doch der Karzer bleibt für uns zum Glück Museum und Uni-Shop.
Von Cosima Macco