Schwarze und People of Color erleben regelmäßig Rassismus. Zwei Heidelberger Studentinnen sprechen über Diskriminierung, Anfeindungen und Racial Profiling
Bereits vor dem Start am Frankfurter Flughafen wird Mona kontrolliert. Die Beamten durchsuchen das Gepäck der Heidelberger Studentin und nehmen Drogenabstriche, während die vorbeigehenden Passagiere problemlos die Kontrolle umgehen. So eine Durchsuchung hat Mona noch nie erlebt. Sie gewinnt den Eindruck, dass sie die einzige ist, die den strengen Durchsuchungsmaßnahmen während ihres Aufenthalts am Flughafen ausgesetzt ist. Ihr mitreisender Vater wird nicht kontrolliert.
Angekommen am Flughafen in Tel Aviv wird Mona direkt in Polizeigewahrsam genommen. Die Kontrolleurin glaubt ihr nicht, dass es Monas erste Reise nach Israel ist. Die Beamtin begründet die gesonderte Durchsuchung abseits des öffentlichen Flughafenraums mit einem Sicherheitsrisiko. Auch nach mehrmaligem Nachfragen nach dem wahren Grund des Gewahrsams antworten die Kontrolleure routiniert mit „Sicherheitsrisiko“. Mona befindet sich bereits seit drei Stunden im Wartezimmer, ohne Aufklärung über weiteres Vorgehen.
Im Wartezimmer sitzen neben Mona noch einige junge Männer und Frauen mit Migrationshintergrund aus Deutschland. Sie waren schon mehrmals in Israel und haben die Prozedur bereits miterlebt. Sie verraten Mona, dass das Sicherheitspersonal ausschließlich Leute durchsucht und befragt, die nicht wie die üblichen Bürger des Herkunftslandes aussehen und meistens unter 30 sind. Aufgrund ihrer palästinensischen Wurzeln steht Mona unter Generalverdacht. Auch wenn es sich nur um den Besuch der Tante in einem Dorf in der Nähe von Tel Aviv handelt. Der Grund: Junge Palästinenser sollen davon abgehalten werden, nach Israel und Palästina zurückzukehren und es als ihre Heimat zu deklarieren. Die strengen Untersuchungsauflagen für einreisende Palästinenser oder Menschen mit muslimischem Glauben dienen der Abschreckung. Sogar Monas deutscher Pass hat sie nicht vor dem Racial Profiling der israelischen Sicherheitsbehörde geschützt. „Selbst die deutsche Botschaft kann nichts dagegen machen“, berichtet Mona besorgt.
Das Verhör war für Mona schockierend, da sie nicht erwartet hat, dass ihr so etwas als deutsche Staatsbürgerin zustößt. „Meine Tante erzählt mir oft, dass das Zusammenleben zwischen Muslimen, Juden und Christen generell friedlich verläuft.“ Mona wurde aufgrund ihres nahöstlichen Aussehens von der Sicherheitsbehörde in Gewahrsam genommen und musste über sechs Stunden im Aufenthaltsraum warten. „Ich wurde mit sehr unangenehmen Fragen überhäuft. Sie wollten alles über mich und meine Familie wissen, als was und wo wir arbeiten, wo meine Tante lebt und sogar mein Handy durchsuchen. Sie haben mich gefragt, ob ich schwanger sei. Das ging zu weit.“ Ihr Vater ist nach unzähligen Minuten unruhigen Wartens in das Verhörzimmer geplatzt und hat die Sicherheitsbeamten zur Rede gestellt. Letztendlich wurde Mona nach siebeneinhalb quälenden Stunden aus dem Gewahrsam freigelassen. „Ich wurde wie der letzte Dreck behandelt.“
von Vivien Mirzai
Amal
Als sie zum Studieren von Frankfurt nach Heidelberg zog, war sie schockiert, wie Weiß Heidelberg ist. Amals Mutter kommt aus Äthiopien und dem Sudan, ihr Vater aus Ägypten. Beim Umzug fragte er sie, was ihr hier auffällt, und sie antwortete: „Es gibt keine Ausländer.“ Vergeblich sieht sie sich im Hörsaal nach Kommiliton*innen um, die Schwarz sind – wie sie. Die eine, die sie findet, wird später eine Freundin.
Bis zu ihrem Abitur lebte Amal in Frankfurt. Dort fühlt sie sich noch immer wohler, weil sie mit ihrer Hautfarbe keine Ausnahme ist. Daher, meint sie, kommt auch die Verwunderung über das Weiße Stadtbild Heidelbergs. Zu Beginn fragte sie sich oft, ob sie nicht die falsche Stadt, das falsche Bundesland zum Studieren gewählt hat. In Frankfurt gehörten Personen mit Migrationshintergrund zum Alltag. In ihrer Klasse gab es vielleicht drei Kinder ohne. Das war ihre Normalität, bis sie nach Heidelberg zog. Anschluss zu finden, stellte sie sich zu Beginn sehr schwierig vor. Sie fand ihn nach einigen Tagen durch eine andere Schwarze Kommilitonin. Mit ihren Braids fühlte Amal sich sehr auffällig, sodass sie ihre Frisur änderte. Sie konnte kaum jemanden finden, der wie sie aussah. Weder unter den Studierenden noch unter den Dozierenden. Doch auch an diesen Umstand konnte sie sich mit der Zeit gewöhnen, sagt sie.
Hier widerfährt Amal vor allem Alltagsrassismus. Beispiele hat sie viele: Ein Betrunkener schrie ihr nachts hinterher, sie sei nicht Deutsch, eine Studentin sagte, ihre Hautfarbe sei schön, weil sie „nicht zu dunkel“ sei. Macht sie darauf aufmerksam, dass eine Aussage rassistisch war und sie verletzt hat, reagieren viele abwehrend und leugnend. „Es wird runtergespielt“, findet sie. Eine ehemalige Freundin behauptete, sie sei nur „wegen der Quote“ an der Uni Heidelberg angenommen worden. Als Amal darauf aufmerksam machte, wie rassistisch und falsch diese Behauptung ist, entgegnete man ihr nur, dass es ja nicht so gemeint sei. Amal betont, dass die Aussagen auch gut gemeint immer noch rassistisch sind.
Durch die Black-Lives-Matter-Bewegung sieht sie sich bestärkt. „Es tut wirklich gut. Man fühlt sich gehört, man fühlt sich verstanden.“ Jetzt sei es akzeptierter, sich gegen Rassismus zu wehren und laut auszusprechen, wenn etwas nicht passt. Dennoch befürchtet sie, dass auch „die andere Seite dadurch angeheizt wird“. Menschen, die sowieso schon rassistisch eingestellt waren, könnten sich darin bestärkt fühlen. Drei Tage nach der Black-Lives-Matter-Demo in Heidelberg wurde sie in einem Zug rassistisch beschimpft. Vor allem, dass niemand eingegriffen hat, enttäuschte sie. Zu Beginn der Rassismusdebatte in Deutschland sah sie nur das Positive, nach diesem Vorfall ist sie sich nicht mehr so sicher.
Von Weißen erwartet sie, sich mit Rassismus zu beschäftigen und sich über afrikanische Länder zu informieren. Es sei respektlos, wenn andere von „afrikanischer Sprache“ oder „afrikanischem Essen“ sprechen. „Und wenn ihnen jemand sagt, dass sie es rassistisch finden, dann ist es rassistisch.“ Zudem solle man eigene Diskriminierungserfahrungen wie Mobbing nicht gegen Rassismus aufwiegen – ihre Hautfarbe, betont sie, hat sie ihr ganzes Leben.
Vivien Mirzai studiert Politikwissenschaften und Germanistik im Kulturvergleich seit dem Wintersemester 2019/20. Seit Oktober 2019 schreibt sie für den ruprecht über Wissenschaft, Internationales und Rassismus. Sie wechselt zum Wintersemester 2020 in die Ressortleitung Feuilleton.
Xenia Miller studiert Politikwissenschaften und Soziologie und schreibt seit Sommersemester 2018 für den ruprecht. Sie schreibt von verkalktem Trinkwasser über Kabarettist*innen und Autor*innen bis hin zu Drachenbootfahren über alles, was sie so interessiert. Herzensthema bleibt natürlich die Politik. Im Wintersemester 19/20 leitete sie das Ressort Weltweit, seit Sommersemester 2020 das Ressort Heidelberg als Doppelspitze.
Nicolaus Niebylski studiert Biowissenschaften. Beim ruprecht ist er seit dem Sommersemester 2017 tätig – meist als Fotograf. Er bevorzugt Reportagefotografie und schreibt über Entwicklungen in Gesellschaft, Kunst und Technik. Seit November 2022 leitet er das Ressort Heidelberg. Zuvor war er, beginnend 2019, für die Ressorts Studentisches Leben, PR & Social Media und die Letzte zuständig, die Satireseite des ruprecht.