Antislawismus ist diffus, nicht ganz zu greifen und nicht ganz sichtbar. Schon die Recherche stellt sich als schwierig heraus. Bei der Suche des Begriffs in „Heidi“ ergeben sich 13 Treffer – diese Form von Rassismus ist nicht gut erforscht.
Antislawismus oder Slawenfeindlichkeit tritt neben dem antischwarzen, dem antisemitischen und dem antimuslimischen Rassismus sowie Antiziganismus als eine von vielen Rassismusformen auf. Er richtet sich gegen Menschen slawischer Herkunft, sprich aus osteuropäischen und zentralasiatischen Ländern. Dazu gehören Russland, die Ukraine und Weißrussland sowie Polen, Tschechien und die Slowakei und Bulgarien, Slowenien, Kroatien, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Nordmazedonien und Montenegro. Ihren Staatsangehörigen werden Stereotype wie das des „bösen Russen“ zugeschrieben. Auch dass Osteuropäer in Filmen oft nur die Rolle von Kriminellen oder Armen spielen, ist auf Anti-slawismus zurückzuführen.
„Slawen“ sind kein homogenes Volk, höchstens eine verstreute Ethnie. Und selbst da sind sich Forscher nicht sicher, der Archäologe Leo Klejn beispielsweise sieht eine ethnische Zusammengehörigkeit kritisch. Dennoch fassen sich die slawischen Länder auch aufgrund von ähnlicher Sprache darunter zusammen. Woher die Bezeichnung „Slawen“ kommt, ist nicht endgültig geklärt. Philologen halten es für möglich, dass „Slawa“ – deutsch „Ruhm“ – aber auch „Sklaven“ der Wortursprung sein könnte. Der Rassismus kann sich gleichzeitig an Slawen als konstruiertes Volk sowie an einzelne slawische Länder richten. Verwurzelt ist Slawenfeindlichkeit neben allen westeuropäischen und nordamerikanischen Staaten vor allem in Deutschland und Österreich. Hier wurde der Hass schon zu Kaiserreichszeiten propagiert.
Antislawismus grassierte lange unter dem Deckmatel des Antikommunismus
Wie bei jeder Art von Rassismus reproduziert Slawenfeindlichkeit bestimmte zugeschriebene Eigenschaften. Ursprünglich beschrieb man Slawen als einfältig, kaltmütig und barbarisch. Erfunden haben diese Zuschreibungen nicht erst Nazis. Schon im deutschen Kaiserreich bahnte sich der Antislawismus in elitären Kreisen seinen Weg. Unter Wilhelm II. wuchs der Nationalismus und Rassismus. Russland wurde aufgrund seiner Machtposition in Osteuropa schon zu dieser Zeit zum Feind stilisiert. In den 1850er Jahren entfachte nach der Teilung Polens eine antipolnische Stimmung in Preußen, die schnell von Gustav Freytag in seinem Roman „Soll und Haben“ in puren Rassismus verwandelt wurde. Slawenfeindlichkeit etablierte sich, und auch Max Weber, nach dem in Heidelberg das Institut für Soziologie benannt ist, beteiligte sich an dem Hass gegen Osteuropäer, indem er von einer „slawischen Flut“ sprach, die es aufzuhalten gelte. Auch Marx und Engels machten keinen Hehl aus ihrem Slawenhass.
Seinen Höhepunkt erreichte der Antislawismus im Dritten Reich. Slawen wurden zu „Untermenschen“ stilisiert. Die nationalsozialistische Rassenideologie kategorisierte sie als „minderwertiges Volk“ – sie sollten vernichtet werden. Was Deutschland auch versuchte: Polen verlor 5,6 Millionen Zivilisten und Soldaten, die Sowjetunion 24 Millionen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg grassierte Antislawismus in Form von Antikommunismus. Besonders angefeuert durch Propaganda der Vereinigten Staaten von Amerika, um den Kalten Krieg und den Kampf gegen die Kommunisten zu legitimieren. Allein von 1947 bis 1954 produzierte Hollywood über 50 antikommunistische Filme, stellt Megan Phillips in einem Fachartikel fest. Darunter Filme wie: „I Married a Communist“ (1949), „I Was A Communist for the FBI“ (1951), oder auch „The Commies are Coming, The Commies are Coming“ (1957).
Slawen spielen in Film und Fernsehen meist die Rolle der Bösewichte – auch heute noch. Darunter vor allem die Russen. James Bond kämpft regelmäßig gegen sie. In Actionfilmen wie „Atomic Blonde“ (2017), „Salt“ (2010) oder „Red Sparrow“ (2018) sind russische Geheimdienste der Feind. Selbst „Stranger Things“ (seit 2016) ist betroffen: Einer der beiden Russen ist brutal wie eh und je, der andere verrät Staatsgeheimnisse im Tausch gegen westliche Leckereien. So offensichtlich ist Antislawismus noch heute. Und trotzdem wird er kaum besprochen, kaum erkannt und kaum erforscht. Wie man so schön sagt: Hier herrscht gewaltiger Forschungsbedarf.
Von Xenia Miller
Xenia Miller studiert Politikwissenschaften und Soziologie und schreibt seit Sommersemester 2018 für den ruprecht. Sie schreibt von verkalktem Trinkwasser über Kabarettist*innen und Autor*innen bis hin zu Drachenbootfahren über alles, was sie so interessiert. Herzensthema bleibt natürlich die Politik. Im Wintersemester 19/20 leitete sie das Ressort Weltweit, seit Sommersemester 2020 das Ressort Heidelberg als Doppelspitze.
Interessante und relevante Reihe! Buchtipp meines Sommers ist Natascha Wodins autofiktionaler Roman „Irgendwo in diesem Dunkel“. Beleuchtet wird unter anderem die Stimmung und damit der Antislawismus der deutschen Mehrheitsgesellschaft gegenüber ehemaligen Zwangsarbeitern aus osteuropäischen Ländern im jungen Nachkriegsdeutschland.
Vielen Dank Julia! Über Natascha Wodin habe ich in diesem Artikel geschrieben und hier ist ein Interview mit ihr über das von Dir angesprochene Thema.