Welche Lücke wollten Sie mit dem Interkulturellen Zentrum schließen?
Das Interkulturelle Zentrum (IZ) ist ein Projekt aus dem Jahr 2012. Der Ausländermigrationsbeirat war mit der Stadtverwaltung, noch bevor ich da war, in anderen Städten gewesen und hat sich solche interkulturellen Zentren angesehen. Er gab schließlich der Stadtverwaltung die Empfehlung: „Wir wünschen uns für Heidelberg ein Haus mit einem ungewöhnlichen Konzept.“ Die Idee dahinter war, dass es eben nicht ein paar wenige Vereine sind, von denen sich jeder seinen Raum mietet und dann macht jeder sein Ding, sondern ein Haus, in dem es auch tatsächlich eine gemeinsame Plattform gibt, wo die Menschen denken: Das ist ein Haus der Begegnung.
Und was sind Ihre Erfahrungen damit in den letzten Jahren?
Wir haben ein Fortbildungsprogramm für NGOs, das IZ hat bis zu 100 Vereine, für die wir zuständig sind. Davon sind etwa 30 wirklich sehr aktiv und kommen regelmäßig zu Fortbildungen, machen dann auch eigene Programme im Haus und gehen mit ihrem Know-How auch in andere Kulturhäuser der Stadt. Also versteht sich das IZ als krafttreibend: Unser Ziel ist es, diese Vereine zu stärken, ein klassisches Empowerment an Know-How, an Projektmanagement, auch an Geld- und Drittmittelakquise. Wir wollten nicht Vereine ans Haus festbinden, sondern die Botschaft vermitteln: Hier ist zwar euer Ausgangspunkt, wir sind für euch da, aber ihr sollt natürlich euer Gelerntes zurück in die Region spielen.
Wie könnten andere antirassistische Strukturen aussehen?
Ich finde, wir gehen da einen Heidelberger Sonderweg, weil wir uns nicht nur gefragt haben, „Wie geht Antirassismus?“, sondern auch „Wie geht Pro-Vielfalt?“. Natürlich brauche ich ein Instrument, um den Menschen Rechte an die Hand zu geben, sie zu informieren: „Dort kannst du dich über Unrecht beschweren.“ Das ist eine Sache. Aber die andere Sache ist, und die kann man nicht gesetzlich regeln: Wie kreiere ich eine Stimmung, in der Vielfalt zum Selbstverständnis einer Gesellschaft gehört? Bei uns ist der Ansatz: „Du kannst etwas, und zeig uns bitte dein Potenzial.“
Haben Sie das Gefühl, die aktuelle Rassismusdebatte ist anders oder fortschrittlicher als die vorherigen?
Also ich finde es erstmal ganz wichtig, dass durch Corona und den Lockdown diese Gewalt in die Wohnzimmer der Menschen trat. Plötzlich haben alle Nachrichten gesehen, die Sender waren stolz auf ihre Quoten, aber das verschuldete sich auch der Tatsache, dass alle zu Hause saßen. Daher waren alle Nachrichten während dieses Lockdowns kollektive Erfahrungen. Fast jedes Thema, das aufkam, hat am Ende von diesem Interesse profitiert. So war es auch für Black Lives Matter, dass man sagte: ja endlich! Ich meine, solche Vorfälle geschehen ja ständig, aber endlich erhält das Unrecht das Scheinwerferlicht, das es braucht, um es mal strukturell anzugehen. Es ist für so viele gesellschaftliche Segmente gerade auch eine ganz große Chance, ein Problembewusstsein in die Gesellschaft hineinzutragen.
Glauben Sie, die Diskussion ist nachhaltig oder in ein paar Wochen wieder vergessen?
Nachhaltig wird es insofern sein, als dass die Menschen, die sich jetzt organisieren, weiterhin aktiv bleiben. Die werden auch gespürt haben: „Ich kann einmal was ausrichten“, wenn das Interesse der Öffentlichkeit da ist. Aber nachhaltig – wenn das wirklich so wäre – dann müsste man nochmal viel breiter in die Gesellschaft schauen. Wir müssen wirklich strukturell von einem Feld ins andere gehen. Und das ist, wenn wir ehrlich sind, eine Arbeit von Jahrzehnten.
Was würden Sie Personen, die sich noch nicht so sehr mit Rassismus beschäftigt haben, mitgeben?
Wirklich die Aufforderung, aus der abstrakten Debatte herauszugehen, und die Menschen kennenzulernen. Auf einer Begegnungsebene tut sich von Mensch zu Mensch etwas. Das ist die Stärke der kommunalen Arbeit: Die Begegnung in dem Moment, wo es eben nicht mehr funktioniert mit der Abstraktion „Der Fremde“. Wenn wir heraustreten aus der theoretischen Diskussion hin zur Begegnung, dann finden sich die unerwartetesten Paarungen. Wir können uns nur solange an unseren Klischees festhalten, wie wir sie nicht herausgefordert bekommen durch die Realität.
Also einfach rausgehen, neue Leute kennenlernen, und Vorurteile selbst abbauen.
Ja, sich mit den eigenen Grenzen konfrontieren. Also gerade, wenn ich Angst habe vor Menschen auf der Flucht, mal zum Asyl-AK zu gehen. Wenn ich Angst habe davor, dass plötzlich zu viel orientalische Musik gespielt wird, sollte ich mal zu einem Abend gehen, wo genau das stattfindet. Wir sprechen oft über „zwischen den Kulturen“, aber wir stärken damit die Differenzen. Mein Ansatz war immer: Die gibt es, die sind ganz wichtig, die Differenzen sind oft auch das Spannende. Es ist immer wichtig, in der Interkulturellen Arbeit aus den Differenzen wieder den Bogen zurück zu den Verbindungen zu schlagen. Dass wir eben auch verstehen: nicht immer dieses krasse Gegeneinander, sondern auch die Frage: Wie komme ich zum „Ich und Du“.
Das Gespräch führte Xenia Miller
Xenia Miller studiert Politikwissenschaften und Soziologie und schreibt seit Sommersemester 2018 für den ruprecht. Sie schreibt von verkalktem Trinkwasser über Kabarettist*innen und Autor*innen bis hin zu Drachenbootfahren über alles, was sie so interessiert. Herzensthema bleibt natürlich die Politik. Im Wintersemester 19/20 leitete sie das Ressort Weltweit, seit Sommersemester 2020 das Ressort Heidelberg als Doppelspitze.