Die Studierenden als Stiefkinder der großen Koalition
SPD und CDU versprachen noch in ihren jeweiligen Wahlprogrammen, dass es künftig bessere Möglichkeiten zur Studienfinanzierung geben soll. Die CDU wollte das BAföG „an die Lebenshaltungskosten sowie veränderte Bildungswege anpassen“. Für die SPD war in ihrem Wahlprogramm ein „starkes BAföG“ eine wichtige Voraussetzung neben einem gebührenfreien Studium, damit niemand aus finanziellen Gründen vom Studium abgehalten wird. Daher forderte sie, das BAföG bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Dabei sprach die SPD in ihrem Wahlprogramm sogar von einem Grundrecht auf Bildung. Dies alles sollten gute Voraussetzungen sein, damit die große Koalition das BAföG endlich anpasst.
Die hohen Erwartungen werden bei einem Blick in den Koalitionsvertrag, der den klangvollen Namen „Deutschlands Zukunft gestalten“ trägt, jäh enttäuscht. An einer einzigen Stelle taucht das BAföG auf: Bei Migranten soll das BAföG als Ausbildungsförderung neben dem Sozialgesetzbuch III und dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz zum Beispiel für die Meisterausbildung eventuell ausgebaut werden. Das ist bitter.
Seit den Siebzigern sank die Förderungsquote von einer knappen Hälfte der Studierenden auf weniger als ein Fünftel
Man sollte keiner Statistik glauben, die man nicht selber gefälscht hat. Genauso verhält es sich mit den angeblichen 671 000 BAföG-Empfängern im Jahre 2012. Diese Zahl besagt nur, wie viele Studierende irgendwann im Jahr BAföG erhalten haben. Sie gibt aber keine Auskunft darüber, wie viele im Schnitt über das ganze Jahr tatsächlich gefördert wurden: Dies sind nur 440 000 Studierende. Damit erhalten aktuell 18,7 Prozent aller Eingeschriebenen BAföG. 40 Prozent der Studierenden gaben in der 20. Sozialerhebung der Studentenwerke 2012 zudem an, dass sich ihr Studium verlängern wird, weil sie nebem dem Studium arbeiten müssen.
Die BAföG-Quote fällt auch deshalb so gering aus, weil viele Eltern mit ihrem Einkommen knapp über der Grenze der Einkommensfreibeträge liegen. Ein Studium ihrer Kinder können sie dann aber trotzdem nicht bezahlen. Ein Grund dafür liegt darin, dass die Freibeträge nicht der aktuellen Entwicklung des Preisentsprechend erhöht werden. Zwischen Herbst 2010 und 2013 gab es zum Beispiel keine Erhöhung der Freibeiträge für Eltern. Währenddessen sind die Preise allein zwischen Herbst 2010 und 2012 jedoch um fünf Prozent und die Löhne um sechs Prozent gestiegen. Das BAföG selbst stieg nicht. Um diesen Misständen Abhilfe zu verschaffen, müssen Freibeträge und das BAföG den Lohn- und Preisentwicklungen jährlich angepasst werden. 1971 betrug die Quote 44,6 Prozent. Damals wurde das BAföG noch als sogenannter Vollzuschuss gezahlt. Das hieß: Keinen Cent mussten die Geförderten zurückzahlen.
1983 wandelte die CDU-Regierung von Helmut Kohl das BAföG zu einem reinen Darlehen um, inzwischen greift die heutige Regelung, nach der die Hälfte als Zuschuss gezahlt wird und die Maximalverschuldung 10 000 Euro beträgt. Hier ist dringend geboten, zum Vollzuschuss zurückzukehren: 38 Prozent der Hochschulzugangsberechtigten, die aus einem nicht-akademischen Hintergrund stammen, verzichten daher komplett auf das BAföG, um sich nicht zu verschulden.
Ein weiteres Problem ist der Übergang zwischen dem Bachelor- und Masterstudiengang. In diesem Zeitraum gibt es bisher keine Förderung. Der einzige Ausweg sind übergangsweise Leistungen aus Hartz IV. Der bürokratische Aufwand für diesen kurzen Zeitraum ist untragbar.
Nur 23 Prozent der Kinder mit nicht-akademischen Eltern absolvieren ein Studium. Wenn man wie die SPD und CDU allen Menschen den Zugang zur Bildung öffnen will, muss es im BAföG viele Verbesserungen geben. Ansonsten ist der Anspruch, Deutschlands Zukunft zu gestalten nichts als eine Farce.
von Ziad-Emanuel Farag