Hochschulfinanzierung ist Ländersache. Seit der Föderalismusreform 2006 darf der Bund wegen des im Grundgesetz verankerten Kooperationsverbotes Hochschulen nicht mehr direkt bezuschussen. Die Kritik ist groß – sollen die Zuständigkeiten geändert werden?
Lies dir den Infokasten weiter unten auf dieser Seite durch, um mehr über das Kooperationsverbot zu erfahren. |
Contra: Maximilian Böck, RCDS-Hochschulgruppe, Universität Heidelberg
Besonders für Kinder ist die Trennung der Eltern eine Entwicklung im Leben, wie sie schmerzlicher nicht sein könnte. Damit aber die Kinder nicht über Gebühr leiden müssen, ist es heutzutage in vielen Staaten der Welt üblich, das Kindeswohl über die Interessen der Eltern zu stellen. Scheidungskinder dürfen daher Umgang mit beiden Eltern haben und von beiden Unterhaltszahlungen erhalten. In Deutschland trennten sich im Jahr 2006 Bund und Länder, nur hieß es damals nicht „Scheidung“ sondern „Föderalismusreform“. Heute muss man wohl feststellen, dass dabei die finanzielle Überforderung des einen Elternteils, nämlich der Länder, doch wesentlich größer ist, als man noch vor einigen Jahren glaubte. Mit Ausnahme der allzeit nährenden Mutter Bayern ist es wohl so, dass deutsche Hochschulen und Universitäten der drohenden Gefahr der Unterfinanzierung von Bildung und Forschung ins Auge blicken müssen, denn das mütterliche Bundesland kann schlicht nicht mehr angemessen für den Unterhalt ihrer Kinder aufkommen.
Doch der Föderalismus ist in Deutschland im Grundgesetz festgeschrieben. „Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung zusammenwirken bei der Förderung von … Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen“ (Art. 91b GG). Die Bildungshoheit der Länder ist ein lang erkämpftes Gut und in vielen Bereichen sehr wichtig. Durch ein Abschaffen des Kooperationsverbotes liefe man Gefahr, einem zentralistischen Bildungssystem nach französischem Vorbild Tür und Tor zu öffnen – und dagegen sprechen sich Politiker aller Richtungen und Strömungen vehement aus. Außerdem setzt jedes Bundesland individuelle Schwerpunkte in Bildungsfragen. Eine bundeseinheitliche Förderung oder Förderungsmaßnahmen im Rahmen von Planfinanzierungen würden die Länder zur Einhaltung gewisser Richtlinien zwingen, die in einigen Fällen einen Rückschritt bedeuteten oder gar nicht zu erfüllen wären.
Zudem hat auch jede einzelne Hochschule ihre eigenen Prioritäten. Der eigenständige Charakter einer Universität wäre bedroht, wenn Gelder beinahe ausschließlich über bundesweite Fördermittel zu beziehen sein würden. Ein Ausschütten von Geldern nach dem „Gießkannenprinzip“ würde dem Individualcharakter einer Hochschule entgegenstehen. Ein Wettbewerb zwischen den einzelnen Hochschulen und Universitäten ist nur möglich, wenn es auch echte Unterschiede gibt. Im internationalen Vergleich sind spezifische Charakteristiken von Hochschulen unabdingbar.
Es muss verhindert werden, dass projektbezogene Zuschläge erteilt werden, denn meist wird über derartige Mechanismen nicht das beste, sondern das billigste Projekt gefördert. Diese Mentalität darf aber im Rahmen von Bildungsfragen keine Rolle spielen! Doch finanzielle Engpässe an deutschen Hochschulen und Universitäten müssen im Sinne der Bildung als Grundrecht eines jeden überwunden werden. Daher gilt es zu überlegen, ob das Kooperationsverbot nicht insofern zu lockern wäre, als eine Wissenschaftsstiftung des Bundes ins Leben zu rufen ist, die vom Bund finanziell getragen wird und die Hochschulen subventionieren und fördern kann.
Es ist eine extensive Auslegung des Art. 91b GG anzustreben. Als Vorbild für eine solche Institution könnte die Kulturstiftung des Bundes gelten. Zudem können die Erfahrungen der Wissenschaftsstiftungen einzelner Länder einfließen. Über Höhe und Zeitraum der finanziellen Unterstützung soll dann ein Stiftungsgremium entscheiden, bestehend aus Vertretern des Bundes, der Hochschulen und der Wirtschaft. Dabei sind ein Höchstmaß an Transparenz und Gerechtigkeit zwischen den wetteifernden Hochschulen zu wahren, ebenso politische Neutralität und Professionalität. Universitäten, die Fördermittel benötigen, sollen mit einem Antrag an die Stiftung herantreten, in dem sie die zu subventionierenden Bereiche und Konzepte zu deren Ausbau zeigen. Das mit Experten besetzte Gremium soll dann über die Notwendigkeit der Anträge beraten und schließlich, nach Dringlichkeit und Erfolgsaussicht geordnet, die Zuschüsse vergeben – und zwar ganz im Sinne der Scheidungskinder, nicht im Interesse der Eltern.
Info: Das Kooperationsverbot gilt seit der Föderalismusreform 2006. Danach wurden die Politikzuständigkeiten zwischen Bund und Ländern neu geregelt und im Grundgesetz festgeschrieben. Es bedeutet, dass die Hoheit über Bildungspolitik bei den Bundesländern liegt: Der Bund darf in diesem Bereich die Länder finanziell kaum unterstützen, außer durch bundesweite Initiativen wie zum Beispiel die Exzellenzinitiative für Hochschulen. In der Gestaltung der Schulpolitik hat der Bund kaum Mitspracherechte.Kritik an dem Kooperationsverbot gibt es von vielen Seiten; Interessensverbände aus der Bildungspolitk beklagen einen Flickenteppich von Schulformen. Gleichzeitig argumentieren die Befürworter, dass ein zentralisiertes Bildungssystem den unterschiedlichen Anforderungen nicht gerecht werde. Bildungspolitik ist auch deswegen Ländersache, weil so ein Wettbewerb verschiedener Bildungssysteme entstehen soll.Im Zuge der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU wurde auch über das Kooperationsverbot beraten. Während die SPD für eine Aufhebung plädiert, stemmen sich die Unionsparteien dagegen. Das liegt auch daran, dass hierzu eine Grundgesetzänderung nötig wäre. Ob der Bundesrat einer solchen Gesetzesänderung zustimmen würde, ist fraglich. SPD und CDU/CSU konnten sich nur auf eine Lockerung des Kooperationsverbots im Bereich der Hochschulpolitik einigen. |
von Madalina Draghici