Dass naturwissenschaftliche Fakultäten ausgelagert werden, ist keine Seltenheit. An der Berliner Humboldt-Universität unter den Linden sucht man das Institut für Chemie ebenso vergeblich, wie die Labore in der Innenstadt in Erlangen. Schließlich wäre es auch bedauerlich, wenn bei einem Unfall im Chemielabor die Altstadt evakuiert werden müsste. In Heidelberg ist die Lösung das Neuenheimer Feld. Triste 60er-Jahre-Bauten bestimmen das Bild.
Beispielhaft dafür ist das Rechenzentrum, das seit Jahren in einem Gebäude untergebracht ist, dass ursprünglich als Übergangslösung gedacht war. Umgeben von Studentenwohnheimen, fristen die Naturwissenschaftler hier ihr trauriges Randdasein. Das Herz dieses Stadtteils bildet das Theoretikum. Ein Euphemismus für die Gebäude mit der Adresse Im Neuenheimer Feld 304 bis 368. Am Eingang dieses Irrgartens thront die Zentralmensa. Wer nicht gerade in den zwei Stunden vorbeischaut, wenn die Küche hunderte hungriger Studenten auf kulinarischem Mindestniveau versorgt, schaut von hier aus auf eine Ansammlung trostloser Gebäude, deren schmutziges Grau durch die Ablagerungen der Jahrzehnte alle Schattierungen annimmt, die der Mensch unterscheiden kann.
Block an Block reihen sich Hörsäle an Seminarräume, Labore und die Chirurgie. Verziert wird das Elend nur durch dahinsiechendes Efeu. Passend sind auch die Balkone, die man selbst mit Handschuhen nicht anfassen möchte. Verständlich, dass sie seit ihrem Bau nicht mehr gereinigt wurden. Heidelberg wäre außerdem nicht Heidelberg ohne die obligatorischen Kunstwerke: Harmonisch fügen sich plastikblaue Klötze in das Bild. Auf der oft vergeblichen Suche nach einem Seminarraum, der sich oft in einem der Keller verbirgt, kann man diese in allen erdenklichen Anordnungen bewundern. Fast schon höhnisch wirken die halbherzigen Versuche, einige farbliche Elemente in Form blauer Treppen und orangefarbener Streifen an den Wänden einzubringen.
Die Witterung hat ihre Spuren hinterlassen. So bringen die ausgewaschenen Streifen den Schmutz außen herum noch besser zur Geltung. In großen bunten Ziffern sind die Hausnummern direkt auf die Außenwände gepinselt. Diese verzweifelte Funktionalität setzt sich im Innern der Gebäude fort. So hat die Bibliothek des Theoretikums mit der großen Universitätsbibliothek in der Altstadt lediglich gemeinsam, dass man in beiden Bücher ausleihen kann. Die flachen Dächer schließlich sind überwuchert von Moos. Hier kann man dem breiten Spektrum an Grün- und Brauntönen nach zu urteilen alle Phasen der ökologischen Zersetzung bewundern. Das stärkt zumindest die tröstliche Hoffnung, dass sich die Natur diesen Ort eines Tages zurückerobern wird.
von Janina Schuhmacher
An Thomas:
Du hast den Sinn des Artikels komplett missverstanden. Die Janina hat den Artikel von Kai Graf gesehen (Die längste Einöde Europas) und da es ihr an Originalität mangelte, prompt einfach einen ähnlichen Artikel über das Theoretikum geschrieben. Möglichst provozierend und überzogen mit Sarkasmus sollte er sein und die Naturwissenschaftler zur Weißglut bringen. Ich finde, dass ihr das gut gelungen ist (dein Kommentar ist der Beweis *schmunzel*).
Außer vielleicht das mit dem traurigen Randdasein. Das war Ernst gemeint. Schließlich weiß doch jeder, dass Psychologiestudenten weitaus besser sind als Naturwissenschaftler.
Was ist denn dein Problem?
„trauriges Randdasein“ – Find’s hier ganz nett.
„[…] das Theoretikum. Ein Euphemismus […]“ – Theoretikum = Gebäude innerhalb einer Uni-Klink mit Hörsälen, Seminarräumen und Bibliotheken. Alles vorhanden.
„kulinarische[s] Mindestniveau“ – Weiß nicht, wer dir in die Suppe gespuckt hat, aber außer vielleicht am Preis hab‘ ich absolut gar nichts am Mensaessen zu bemängeln.
„Passend sind auch die Balkone, die man selbst mit Handschuhen nicht anfassen möchte.“ – Wenn ich’s richtig verstanden haben, dienen die nur als Fluchtweg.
„[…] oft vergeblichen Suche nach einem Seminarraum, der sich oft in einem der Keller verbirgt.“ – Ist mir jetzt noch nie passiert, und selbst wenn, die Keller geben mir immer das Gefühl, in einem Bunker auf Entdeckungstour zu gehen.
„So hat die Bibliothek des Theoretikums mit der großen Universitätsbibliothek in der Altstadt lediglich gemeinsam, dass man in beiden Bücher ausleihen kann“ – Stimmt zwar, aber der Vergleich ist leicht unfair. Die Universität ist für ihre Altstadt-Bibliothek berühmt. Das ist schwer zu toppen.
Statt vier Absätze lang auf den naturwissenschaftlichen Fakultäten rumzureiten hättest du doch wenigstens die Exzellenzinitiative, die ganzen Neubauten, was zu den Wohnheimen oder allgemein zum studentischen Leben dort erwähnen können.
Wow ein wirklich interessanter Artikel!! Sehr schön formuliert!