In der Haut der rot-rot-grünen Regierung Berlins möchte zur Zeit wohl keiner stecken. Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel Mitte April aufgrund mangelnder Kompetenz des Landes Berlin für verfassungswidrig erklärt hatte, hagelt es Kritik ohne Ende. Auf der einen Seite freuen sich die Gegner des Mietendeckels und auf der anderen Seite stehen wütende Mieter, denen Mietnachzahlungen drohen. Vermieter haben nun den Anspruch, die Differenz zwischen den gedeckelten Mieten und den eigentlich im Mietvertrag festgeschriebenen Mieten von den Mietern einzufordern. Die Wahl eines so drastischen Instruments wie der rigorosen Deckelung von Mieten zeigt, wie dramatisch es um den Wohnungsmarkt in Deutschland steht.
Die Bundesregierung hatte schon im Jahr 2015 eine Mietpreisbremse erlassen, die aber immer wieder wegen mangelnder Wirksamkeit kritisiert wird. Ein Blick auf die Situation in Heidelberg zeigt, wo die Probleme liegen.
Wie funktioniert die Mietpreisbremse?
Das „Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten“ wurde 2015 vom Bund erlassen (Baden-Württemberg setzte es erst 2020 rechtsgültig um) und soll vor allem Neumietern die Suche nach bezahlbarem Wohnraum erleichtern. Vermieter dürfen bei einer Neuvermietung nur eine Miete verlangen, die maximal 10% über der örtlichen Vergleichsmiete liegt. Jedoch gilt diese Mietpreisbremse nicht flächendeckend in ganz Deutschland, sondern speziell in Ballungsgebieten mit einer angespannten Wohnungsmarktsituation.
Wie ist die Situation in Heidelberg?
Recherchen des ARD-Magazins „Panorama“ hatten im letzten Jahr gezeigt, dass in Heidelberg die Mietpreisbremse die Preise auf dem Wohnungsmarkt nicht effektiv drücken kann. 87% der Wohnungsangebote in Heidelberg lagen über der gesetzlich festgeschriebenen Obergrenze (Vergleichsmiete plus 10 Prozent).
Die Schwäche der Mietpreisbremse zeigt sich auch bei denen, die sie eigentlich schützen soll: den Mietern. Die Stadt Heidelberg hatte im Jahr 2018 eine Umfrage bei der Forschungsgruppe Wahlen in Auftrag gegeben. Jeder zweite Mieter, der in den letzten zwei Jahren eine neue Wohnung angemietet hatte, hielt seine Miete für unangemessen.
Wieso steigen die Mieten so stark?
Der ehemalige Organisationsleiter des Mietervereins Heidelberg, Christoph Nestor, sieht die Schuld vor allem bei den Anlegern. Er erklärte in einem Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung: „Preistreiber auf dem Wohnungsmarkt sind nicht die Durchschnittsvermieter oder die gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften, sondern die Projektentwickler und die Anleger – da hilft der Mietspiegel nicht.“ Immer mehr Investoren kaufen Wohnungen, mit denen sie aber auch Geld verdienen wollen. Da sie das aber nur können, wenn die Mieten steigen, erhöhen sie die Mieten.
Der Mieterverein Heidelberg sieht auch in der Attraktivität der Stadt Heidelberg einen Preistreiber. So lässt er auf Anfrage verlauten: „Heidelberg gehört zu den sogenannten „Schwarmstädten“, d.h. die Attraktivität und Anziehung ist hoch, der Zuzug steigt im bundesweiten Vergleich überproportional“. Ein Blick in den Wanderungsbericht der Stadt Heidelberg aus dem Jahr 2018 verstärkt diesen Eindruck. Die Einwohnerzahl Heidelbergs ist seit 2011 um 8,2% gestiegen. Dabei sind es vor allem Zugezogene, die die Einwohnerzahl in die Höhe treiben. Zwischen 2012 und 2017 sind 10.700 mehr Menschen nach Heidelberg gezogen, als die Stadt verließen.
Wieso funktioniert die Mietpreisbremse nicht?
Die Unterminierung der Mietpreisbremse liegt vor allem an einer Ausnahmeregelung, die der Gesetzestext enthält. Wird die Wohnung einer Grundsanierung unterzogen, darf der Vermieter zum Teil die entstandenen Kosten auf den Mieter abwälzen. Durch diesen einfachen Taschentrick wird die Mietpreisbremse ausgehebelt. Ob die Sanierung zwingend notwendig ist oder nicht, spielt dabei keine Rolle. Deswegen verfallen Immobilienkonzerne in einen regelrechten Modernisierungswahn, um so die Mieten weiter in die Höhe treiben zu können.
Dem Mieterverein Heidelberg sind in solchen Fällen oft die Hände gebunden. Auf den Willen der Mieter weist der Mieterverein Heidelberg die Vermieter darauf hin, nicht mehr Miete zu verlangen, als durch die Mietpreisbremse erlaubt ist. Jedoch macht der Verein die Erfahrung, dass viele Mieter, den Vermieter darauf nicht ansprechen wollen. Die Mieter scheuen sich oft, gleich am Anfang das Mietverhältnis durch Konflikte zu belasten, da sie Angst haben die Wohnung zu verlieren. Das erschwert das Vorgehen gegen überhöhte Mieten.
Welche Maßnahmen werden ergriffen?
Eine der Maßnahmen ist das sogenannte „Zweckentfremdungsverbot“. Eine Fassung aus dem Jahr 2016 hatte noch eklatante Mängel aufgewiesen. Zum Beispiel mussten Mitarbeiter des Baurechtsamts eigens die Ferienwohnungen anmieten, um herauszufinden, wo diese genau lagen. Im Fokus der neuen Gesetzesnovelle, die vom Land Anfang des Jahres beschlossen wurde, stehen Vermittler von Ferienwohnungen wie Airbnb. Die Anbieter müssen der Stadt nun mitteilen, wo die Ferienwohnung liegt und wer sie vermietet. Zusätzlich dürfen nur Wohnungen vermietet werden, die eine Registrierungsnummer der Stadt Heidelberg besitzen. Wer sich nicht an die Regeln hält, riskiert ein Bußgeld von bis zu 100 000€. Mit diesen Maßnahmen will die Stadt Heidelberg zweckentfremdete Wohnungen schneller erkennen und auf den angespannten Wohnungsmarkt zurückführen.
Allerdings sind sowohl die Mietpreisbremse als auch das Zweckentfremdungsverbot nur die Bekämpfung der Symptome des Unterangebots an Wohnraum. Wenn es viel Nachfrage für ein knappes Angebot gibt, steigen die Preise. Aus diesem Grund zieht auch die Stadt Heidelberg die logische Konsequenz und legt ihr Hauptaugenmerk auf das Schaffen von bezahlbarem Wohnraum. Im letzten Jahr hatte die Stadt einen 10-Punkte-Plan zur Umsetzung des „Handlungsprogramms Wohnen“ beschlossen. Die Stadt will vor allem Wohnraum für Haushalte mit mittlerem und niedrigerem Einkommen schaffen. Ein Einwohnerantrag, den 2000 Heidelberger und Heidelbergerinnen unterschrieben hatten (der Mietverein Heidelberg unterstützt diesen auch), wurde bereits beim Gemeinderat eingereicht. Ihr Anliegen liegt unter anderem darin, eine Konkretisierung der Maßnahmen zu erreichen, also der Messbarmachung des Fortschritts. So soll die Stadt zu mehr Verbindlichkeit verpflichtet werden.
von Joshua Sprenger
Joshua Sprenger studiert Politikwissenschaft und öffentliches Recht und schreibt seit dem Sommersemester 2021 für den ruprecht. Er interessiert sich vor allem für Politik, die unterschiedlichsten Sport-Themen und alles was unsere Gesellschaft gerade so umtreibt. Seit dem Wintersemester 2021/22 leitet er das Ressort Weltweit.