„Die ist geil, kann man die ficken?” „Hallo Puppe!” „Bock auf ‘nen Dreier?” Solche und viele weiteren vulgären Sprüche müssen vor allem Frauen und zum Teil auch Männer auf den Straßen von Heidelberg ertragen. Seit September 2020 möchte die Instagram-Seite „Catcalls of Heidelberg” durch Erfahrungsberichte und bunte Posts darauf aufmerksam machen.
Die Catcall-Bewegung hat jedoch erst kürzlich Heidelberg erreicht. Ihren Anfang hatte sie schon 2016 in New York. Dort startete die Studentin Sophie Sandberg das Projekt „Catcalls of New York”. Sie rief die Einwohner*innen New Yorks dazu auf, den ihnen im Vorbeigehen zugerufenen, sexualisierenden Sprüche, die sogenannten Catcalls, mit ihr zu teilen. Im Anschluss begab sich Sophie dann an den Ort, an dem die Belästigung stattfand und schrieb das Gesagte mit bunter Kreide dort auf den Bürgersteig. Um dann noch mehr Menschen darauf aufmerksam zu machen, machte sie davon ein Foto und teilte es auf ihrer Instagram-Seite.
Ursprünglich startete Sophie diese Instagram-Seite für eine universitäre Hausaufgabe, bei der die Student*innen ein beliebiges Thema mithilfe eines sozialen Netzwerks darstellen sollten. Aufgrund ihrer eigenen Erfahrung mit dem Thema entschied Sophie sich für Catcalling. Inzwischen läuft ihr Projekt schon seit vier Jahren weiter.
Ihr Vorgehen fand vor allem während des #Metoo Aktivismus vermehrt Aufmerksamkeit und wurde schließlich zu einer globalen Bewegung. Jetzt hat die „Catcalls of New York” Seite auf Instagram 179.000 Abonnent*innen und wird im selben Format von dutzenden weiteren Städten repliziert.
Auch in vielen Städten Deutschlands sind solche Catcall-Initiativen angekommen. Denn auch hier besteht ein Bedarf nach Aktivismus. Eine von der Jean-Jaurès-Stiftung durchgeführte Umfrage ergab, dass 36 Prozent aller Frauen in Deutschland schon mit sexuellen Bemerkungen konfrontiert wurden. Auch in Heidelberg bleibt dieses Problem nicht aus.
„Catcalling ist nur ein Symptom der Machtdifferenz zwischen den zwei Geschlechtern“, sagen die Gründer*innen der „Catcalls of Heidelberg“ Instagram Seite, die gerne anonym bleiben möchten. Pro Woche bekämen sie etwa zwei Geschichten über Catcalling in Heidelberg zugeschickt. Für sie seien Catcalls eine Machtdemonstration, die darauf abziele, ihre Adressat*innen als Objekt darzustellen und sie auf ihr Äußerliches zu minimieren. Häufig bestehe dabei beim Opfer die Angst vor Gewalt, sodass es scheint, als würde es keine Möglichkeit geben, sich im konkreten Fall direkt dagegen zu wehren.
Mit Hilfe ihrer Instagram-Seite erhofft sich die Gruppe hinter „Catcalls of Heidelberg”, Menschen zu zeigen, dass es einen Unterschied zwischen Belästigung und einem Kompliment gibt. “Was ein Catcall von einem Kompliment unterscheidet ist, dass da kein Respekt mit drin ist und sich vielen dessen tatsächlich nicht bewusst sind”, sagen sie.
Auch wenn eine solche Bemerkung meist als Kompliment gemeint sei, werden sie aufgrund ihres Kontexts als verletzend aufgefasst. Die meisten Catcalls, auch solche, die ohne böswillige Absicht gemacht worden sind, würden immer noch negativ aufgefasst werden, da sie vor allem für Frauen ein Ausdruck des Sexismus seien, der weiterhin in unserer Gesellschaft verankert sei, etwa durch ungleiche Repräsentation und dementsprechende Sexualisierung im Beruf.
Die Gründer*innen von „Catcalls of Heidelberg“ wissen natürlich, dass sie Catcalls nicht von heute auf morgen abschaffen können. Aber sie haben Hoffnung: „Wir wünschen uns, dass Catcalling entnormalisiert wird und ganz klar als Belästigung gekennzeichnet wird“, sagen sie. „Und dass man in Schulen schon Menschen das so beibringt.“
Von Anina Hoppe