Im April dieses Jahres hatten die Heidelberger Bürger:innen die Möglichkeit, sich aktiv in die Stadtpolitik einzubringen. In einem Bürgerentscheid wurde entschieden, ob das Ankunftszentrum für Geflüchtete vom Patrick-Henry-Village (PHV) in die Wolfsgärten verlegt werden sollte. 70 Prozent der Wähler:innen sprachen sich dagegen aus – ein klares Ergebnis. Die Wahlbeteiligung lag bei 40 Prozent, und war damit so hoch wie bei keinem Bürgerentscheid in Heidelberg zuvor.
Organisiert wurde der Bürgerentscheid vom Bündnis für Ankunftszentrum, Flüchtlinge und Flächenerhalt (BAFF). Das Bündnis entstand als Reaktion auf die geplante Verlegung des Ankunftszentrums in die Wolfsgärten und besteht aus über 30 Organisationen, Vereinen und Parteien. Dazu gehören beispielsweise die Gewerkschaft Verdi, das Antirassismus-Referat des Studierendenrates, Fridays for Future oder das Bündnis für gerechten Welthandel.
So unterschiedlich die Bündnispartner auch sind – alle waren sich einig: die Wolfsgärten mit ihrer abgeschiedenen Lage zwischen zwei Autobahnen, einer Bahnlinie und einer Kreisstraße stellten keine attraktive Alternative zum PHV dar. Die Geflüchteten sollten ins Stadtleben integriert werden, anstatt abgeschottet hinter Lärmschutzwänden zu leben. Auch die geplante Flächenversiegelung sorgte für Kritik, weil Ackerfläche verloren geht. Vertreter:innen einzelner Bündnispartner und Aktive des Bündnisses setzten sich deshalb für einen Bürgerentscheid ein, sammelten Unterschriften und stellten konkrete Forderungen an die Stadt. Schließlich mit Erfolg: Das Bürgerbegehren konnte dank der fast 10 000 Unterschriften stattfinden und die Heidelberger:innen unterstützen das Anliegen des BAFF.
„Die angestoßenen Prozesse stellen eine Chance für die Heidelberger Bevölkerung und für die Stadtentwicklung dar“, so Dorothee Hildebrandt, Teil des BAFF. „Wichtige gesellschaftliche Herausforderungen wie Migration, Klimaschutz und Wohnen können wir hier zusammenhängend und ineinandergreifend behandeln, sodass vorbildliche Konzepte entstehen können.“
Oberbürgermeister Eckart Würzner betont nach dem Bürgerentscheid: „Die gesamte Diskussion hat jedoch eindeutig gezeigt: Unsere Bürgerinnen und Bürger haben nicht gegen die Wolfsgärten, sondern für eine Lösung innerhalb von PHV gestimmt. Diese Akzeptanz ist eindrucksvoll und eine gute Grundlage, um jetzt in einem neuen Anlauf endlich eine sichere Perspektive für das Ankunftszentrum hier in Heidelberg zu entwickeln.“
Auf dem Gelände des PHV soll ein moderner und ökologischer Stadtteil entstehen. Dem sollte das Ankunftszentrum ursprünglich weichen – vielen missfiel die Vorstellung eines abgeschotteten Bereichs inmitten des Viertels. Grund für die geplante Verlegung in die Wolfsgärten waren unter anderem Vorgaben des Landes Baden-Württemberg, die die Umsetzung im PHV stark erschwerten. Aufgrund des Bürgerentscheids hat das Land die Anforderungen für ein Ankunftszentrum im PHV nun angepasst: Das Zentrum darf auf mehrere Flächen verteilt werden, wenn sie fußläufig und barrierefrei zu erreichen sind. So kann das Ankunftszentrum auf mehrere Gebäude aufgeteilt und besser in das Viertel integriert werden.
„Dieses Entgegenkommen von Seiten des Landes eröffnet uns allen neue Chancen, das Zentrum hier in unserer Stadt unterzubringen und gute und sichere Räume für Menschen auf der Flucht zu schaffen“, so Würzner weiter. Auch Dorothee Hildebrandt schaut optimistisch in die Zukunft und begrüßt die Lösung: „Es gilt jetzt, die politischen Prozesse aufmerksam, kritisch und mit Vorschlägen zu begleiten. Dazu gehört die Errichtung und Ausgestaltung des Ankunftszentrums, der Erhalt der Biodiversität und Klimaschutz sowie eine Stadtentwicklung mit preisgünstigem Wohnen.“ Das BAFF will weiter aktiv bleiben, um sich mit Vorschlägen einzubringen.
Ziel sei es, dass der Gemeinderat den neuen Standort noch vor der Sommerpause beschließt. Dazu werden gerade mehrere Flächen im Norden des PHV untersucht, nur wenige Meter neben dem momentanen Ankunftszentrum. Ein Architekturbüro arbeitet an einem konkreten Vorschlag zur Umsetzung des Baus.
Von Julia Liebald
...studiert Geschichte und Germanistik und ist seit 2020 beim ruprecht aktiv. Nach der Leitung der Ressorts Studentisches Leben und Weltweit interessiert sie sich inzwischen vor allem für das Layout.