Nach seiner Gründung im Jahr 1945 hatte das Collegium Academicum (CA) bis 1972 als gemeinschaftlich gelebtes Studierendenwohnheim seinen Sitz in der Altstadt. Heute will es Raum für nachhaltiges, günstiges und selbstbestimmtes Wohnen schaffen. Wir haben für euch mit den ehrenamtlich Engagierten Konstantin Scheffold und Julie Kiehn gesprochen, um mehr über das Projekt zu erfahren.
Wann und wie ist die Idee des CA denn entstanden?
Konstantin: Es gab bereits von 1945 bis 1978 das CA als selbstverwaltetes Wohnheim in der Altstadt, welches 1978 aufgelöst wurde. Heute ist in diesem Gebäude die Zentrale Verwaltung der Universität untergebracht. Lange Zeit gab es daher nur noch den Verein Collegium Academicum, der ein kleines Haus in der Plöck gemietet hatte und in dem elf Studierende gemeinsam gelebt haben. 2013 entstand in dieser Haus-WG dann aber die Idee, mehr Raum für Nachhaltigkeit und Miteinander, sowie Wohnraum, der dem Kapitalmarkt entzogen wird. Jetzt steht unser Neubau fast fertig in Rohrbach und wartet auf Einziehende.
Der Senat kritisierte den Verband damals als eine „interessenlose Gemeinschaftsduselei“ und ließ das CA auflösen, sowie das Gebäude polizeilich räumen. Alles um die Zeit der 68er Bewegung, in der die älteren Autoritäten und Studierenden in vielen politischen Bereichen nicht mehr dieselbe Überzeugung teilten. Da könnte man vermuten, dass diese Auflösung politisch motiviert war und die Uni einfach ein neues Gebäude brauchte. Heute unterstützt sie Euer Projekt. Wie ist jetzt das Verhältnis zwischen Euch und dem Senat der Uni Heidelberg?
Konstantin: Das Verhältnis zur Universität ist heute freundschaftlich, da wir im Gespräch für unsere Kooperation stehen und die Uni schließlich auch davon profitiert, wenn es mehr günstigen Wohnraum für die Studierenden gibt.
Wer wird dort einziehen können?
Konstantin: Grundsätzlich jeder, der auch in ein normales Wohnheim einziehen kann. Also entweder Studierende, Auszubildende, Promovierende und zusätzlich sogar ein paar Menschen, die aus irgendeinem Grund durchs Raster fallen und einen Ort zum Leben brauchen.
Wie konntet ihr dieses Riesenprojekt finanzieren?
Julie: Wie alle Mietshäusersyndikatsprojekte werden wir über Direktkredite finanziert, mit Hilfe derer wir Bankkredite aufgenommen haben, sowie Fördermittel aus verschiedensten Töpfen und Eigenleistung.
Worin besteht diese Eigenleistung?
Konstantin: Arbeit und Materialien, die wir selber leisten. Also zum Beispiel Abrissarbeiten, Verkleidung von Schächten oder auch das Bauen von Möbeln in unserer eigenen Werkstatt.
Auf Eurer Homepage gibt es bei der Bewerbung auch eine Bezugnahme zu Eurem Leitbild. Wie sieht dieses genau aus und wie überträgt sich das beispielsweise auf den Alltag?
Julie: Das sind unsere Grundgedanken, auf denen das Projekt aufbaut und die wir versuchen in die Realität umzusetzen.
Konstantin: Anhand dieses Leitbilds haben wir einige Kategorien abgeleitet, die jede:r Bewerber:in auf seine eigene Weise umsetzen sollte. Weil so ein selbstverwaltetes Wohnheim eben nicht selbstverständlich funktioniert und es problematisch wird, wenn jemand gar keinen Bock auf Gemeinschaft hat. Da geht es nicht darum, hart zu filtern, sondern sicherzustellen, dass Einziehende sich auch für das Projekt interessieren.
Es sind ja noch einige Plätze frei. Wie genau läuft die Bewerbung ab?
Julie: Es gibt ein Bewerbungsformular auf unserer Internetseite, wo man etwas über sich und unser Projekt schreiben kann. Anschließend wird man zu einem Auswahltag eingeladen, an dem es eine Projektvorstellung, eine Gruppenphase, ein generelles Kennenlernen sowie Einzelgespräche gibt.
Trotzdem wird die Bewerbung allgemein eher als kompliziert empfunden. Seht ihr das auch so?
Julie: Natürlich ist das ein relativ langer Prozess, trotzdem haben wir bisher sehr viel positives Feedback bekommen, dass gerade dieses ausführliche Kennenlernen sehr inspirierend und angenehm ist.
Konstantin: Dazu gab es immer viele Diskussionen, aber gerade weil wir ein Projekt sind, das auf Gemeinschaft aufbaut, ist uns ein Kennenlernen sehr wichtig. Wir versuchen, es deswegen so entspannt wie möglich zu gestalten.
Habt ihr da Tipps, wie man die Bewerbung am besten angeht?
Konstantin: Da sind zwei Sachen wichtig: grob zu wissen, worum es in dem Projekt geht, es dazu am besten mögen und einfach entspannt zu sein. Wir wollen bei dem Ganzen nur sicherstellen, dass die Selbstverwaltung später funktioniert.
Welche Auswirkungen hatte Corona auf den Bau des Wohnheims?
Konstantin: Hauptsächlich Bauzeitverzögerungen, da es indirekt wegen Corona Baustoffmangel gab und die Zeit generell Schwierigkeiten darstellte, weil es auch wegen der strengen Coronakonzepte eine erhöhte Arbeitsleistung gab und so teilweise das Gemeinschaftsgefühl verloren ging und man sich eher wie eine Firma gefühlt hat. Das ist jetzt aber viel besser geworden.
Es geht ja viel um Gemeinschaft. Wie stellt ihr Euch das Zusammenleben später vor?
Julie: Es wird Dreier und Vierer–WGs geben, in denen man natürlich Zeit verbringt. Darüber hinaus viele Gemeinschaftsflächen, eine große Aula und Außenbereiche mit Permakultur-Gärten sowie eine Dachterrasse. Es wird dazu feste Termine und Versammlungen geben, an denen alle teilnehmen sollten, um das selbstverwaltete Wohnen zu organisieren.
Konstantin: Es wird also nicht nur Gemeinschaft zum Verwalten, Wohnen und Feiern geben, wofür wir übrigens schon eine fette Anlage haben, sondern eben auch konkret darum, einen Ort der Bildung und des Austauschs zu schaffen. Für unseren Neubau gibt es bereits eine Arbeitsgruppe, die sich mit dem Bildungsprogramm für das erste Semester beschäftigt. Dabei sind natürlich verschiedene Abendveranstaltungen angedacht. Bildung ist fest verankert in unserem Wohnheim und kann von Allen mitgestaltet werden, die wollen.
Wie kann man euch denn, wenn man nicht gerade einzieht, sonst noch unterstützen?
Konstantin: Das ist ganz einfach, da es so viele Möglichkeiten gibt. Zum Beispiel über Termine in der Werkstatt für Handwerkliches, einfach vom Computer aus in der AG Öffentlichkeit, architektonische Arbeit und Planung, sowie Finanzierung und Verhandeln mit Banken. Wir treffen uns jeden Mittwoch um 18 Uhr im „Rabatz“” in der Südstadt im Plenum in Präsenz oder online, wo jede:r willkommen ist und schauen kann, wofür man sich interessiert.
Julie: Wir freuen uns, wenn noch mehr Menschen zu unserer Gruppe dazukommen und das CA mit Leben füllen!