Vor drei Jahren gab es noch ein Sommerloch. Jene nachrichtenlosen Wochen, in denen sich die Presse plötzlich nur noch über trendige Eissorten zerreißen konnte. Jetzt sind wir Journalist:innen geradezu schlagzeilenverwöhnt. Corona. Ukraine. Wieder Corona. Kurz war das Leben wirklich spannend. Jetzt bin ich davon nur noch genervt, kein Bock mehr auf Krise.
Deutschland soll resilienter werden, heißt es von der Bundesregierung. Resilienz. Gerne. Nehm ich. Kann ja nicht schaden. Dann merke ich: Es geht gar nicht um Stressbewältigung. Ich soll in meinem Wohnheimzimmer jetzt Konserven und Wasser für zehn Tage horten. Läuft.
Naja. Wer braucht schon sowas. Nach zwei fetten Krisen ist es schließlich nur wahrscheinlich, dass wir langsam wieder auf den alten Kurs zurückschlittern.
Ach ja. „Affenpockenausbruch in Deutschland“. Geil. Ist aber alles nicht so schlimm, denn natürlich hat jeder mittlerweile eine Destillierapparatur zur Desinfektionsmittelherstellung und für den Fall der Fälle liegen irgendwo noch zehn abgelaufene Pockenimpfungen rum.
Achso, das ist gar nicht so gefährlich mit den Pocken, die können nicht mutieren und sind nicht so ansteckend. Na dann. Puh. Tief durchatmen. Resilienz. Resilienz.
Da geht das Licht aus. Putin hat die letzten Energiereserven abgedreht. Shit. Ich lebe als electrical native schließlich am Stromkabel wie an einer Nabelschnur. Resilienz, Resilienz. Vor uns haben die das schließlich auch hingekriegt.
Offenes Feuer im Wohnheim ist nicht erlaubt, ich löffle meine Dosenravioli also kalt im Schein der letzten Kerze. Von draußen hört man durchgehend Autohupen. Wahrscheinlich ein Unfall, die Ampeln sind ja aus. Sonst ist es still. Kein Licht, nur Dunkelheit. Noch nie habe ich einen so klaren Sternenhimmel gesehen. Während die Wasserpfütze vor dem abtauenden Kühlschrank zu einem Teich heranwächst, ziehe ich mit gewohntem Griff mein Handy aus der Hosentasche. Mit den letzten zwei Prozent meines Handyakkus lese ich die letzte Push-Meldung der Zeit: Klimawandel schlimmer als gedacht.
Sommerloch, Sommerloch, wo bist du nur geblieben?
Von Lena Hilf
...studiert Physik und schreibt seit Oktober 2019 für den ruprecht. Besonders gerne widmet sie sich Glossen, die oft das alltägliche Leben sowie wissenschaftlichen oder politischen Themen. Seit April 2021 leitet sie das Ressort Hochschule.