Gemeinsam gegen Diskriminierung, um eine inklusivere und weltoffenere Gesellschaft zu schaffen: Das ist eines der Ziele der Mitarbeiter:innen des Interkulturellen Zentrums Heidelberg. Auch in diesem Jahr stellte das Interkulturelle Zentrum vom 14. März bis zum 15. Mai ein vielfältiges Programm unter dem Motto „Haltung zeigen“ anlässlich der Internationalen Wochen gegen Rassismus auf.
Im Zentrum stand dabei, verschiedenen Perspektiven eine Stimme zu geben und, wie im Programmheft beschrieben, „Pan-Empathie“ zu schaffen. In Hinblick auf globale Krisen und die Situation der Menschen in Afghanistan und der Ukraine gab es beispielsweise Veranstaltungen über den Umgang mit geflüchteten Menschen. Neben Vorträgen von Expert:innen über Krisengebiete, Lesungen, Online-Diskussionen über die rassistisch-veranlagten Systeme in Gesellschaftsstrukturen, Workshops über Kommunikationstraining und Storytelling wurde auch Wert auf kreative Programmpunkte wie Filmvorstellungen, Theaterstücke und Konzerte gelegt. Einen wesentlichen Beitrag leistete der Autor Manuel Gogos, der eine Lesung über Deutschlands Einwanderungsgeschichte hielt, durch die unsere Gesellschaft an Diversität gewonnen hat. Wenn die historischen Hintergründe der Landesdiversität betrachtet werden, sei es umso wichtiger, jeden miteinzubeziehen und die Geschichte Deutschlands aus multiplen Perspektiven zu beleuchten.
Im Interkulturellen Zentrum Heidelberg besuchte der ruprecht eine Lesung des 2021 erschienenen Buches „Ehrensache: Kämpfen gegen Judenhass“, in dem der Autor und Aktivist Burak Yilmaz über seine Erfahrungen mit verschiedenen Diskriminierungen und Anfeindungen aufgrund seiner türkisch-kurdischen Abstammung berichtet.
Wie wichtig eine klare Abgrenzung von Rassismus und Antisemitismus, vor allem aber Zivilcourage gegenüber diskriminierten Personen ist, erklärt Yilmaz Menschen aus ganz Deutschland. Er arbeitet seit Jahren als selbstständiger Pädagoge und setzt sich besonders in Jugendzentren für eine umfangreiche Aufklärung und Bewusstseinsschaffung für Diskriminierung ein. Zudem organisiert Yilmaz Fahrten nach Auschwitz mit muslimischen Jugendlichen und schafft eine sichere Umgebung für Gespräche über Schmerz, Verwirrung, Enttäuschung und Zugehörigkeit. Damit engagiert er sich aktiv für eine inklusive Erinnerungskultur. Vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier bekam er dafür das Bundesverdienstkreuz verliehen. Bezüglich der Möglichkeiten, sich gegen politisch motivierte Hassrede zu wehren, betont er die Relevanz aktiver Taten, um dem Ohnmachtsgefühl gegenüber rechten Haltungen entgegenzuwirken. Dafür arbeitet Yilmaz in seinen Workshops unter anderem konkrete Ideen aus, mit denen er die Teilnehmer:innen motiviert, in ihrem Umfeld selbst für Aufklärung zu sorgen und die Perspektive zu wechseln.
Wir reden endlich über Teilhabe und Partizipation von Minderheiten.
Auch die Entwicklungen der letzten Jahre heben die Aktualität und Unabdingbarkeit von Zivilcourage hervor: „Die Pandemie hat gezeigt, dass Feindbilder, Sündenböcke und Schuldzuweisungen bis in die Mitte der Gesellschaft reichen. Es gab im Jahr 2021 einen Anstieg antisemitischer Gewalt um 29 Prozent. Auch die rassistische Gewalt ist gestiegen. Wir müssen alles in Bewegung setzen, um dem etwas entgegenzusetzen.“
Yilmaz leitete bereits mehrere Veranstaltungen im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Er bemerkt immer wieder, wie viele Teilnehmer:innen über Alltagserfahrungen mit Rassismus und Antisemitismus berichten können. Nicht selten erlebt er, dass solche Phänomene verharmlost werden. Er fordert, dass es zum Selbstverständnis gehören sollte, diese Themen dauerhaft aufzugreifen und zu besprechen. Dafür ist es erforderlich, dass alle Gesellschaftsgruppen mitgedacht werden: „Wir reden endlich über Teilhabe und Partizipation von Minderheiten.“
Partizipation und Repräsentation bedeuten auch, dass Diversität nicht nur im Progamm, sondern auch hinter den Kulissen stattfinden sollte. Darum betont Yilmaz, dass Diversität auch unter den Organisator:innen von hoher Relevanz sei und nicht nur unter den Vortragenden: „Es geht um ein besseres Abbild der Gesellschaft auf allen Ebenen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Diskussionen rund um Erinnerungskultur bezeichne ich gerne als ein Selbstgespräch der Mehrheitsgesellschaft, weil andere Perspektiven unsichtbar gemacht werden. Wenn Sie Menschen das Gefühl geben, sie dürfen Geschichte nicht gestalten, nicht miterzählen, dann fühlen sie sich auch nicht angesprochen. Mehr Repräsentation heißt für mich Multiperspektivität.“
Die Veranstaltungen der Internationalen Wochen gegen Rassismus erfüllen für Yilmaz ein wichtiges Kriterium, da sie der Ausweitung dieser Multiperspektivität eine Grundfläche bieten: „Zugänge und Perspektiven schaffen, denn das ist für eine demokratische Gesellschaft angemessen.“
...studiert Germanistik und Japanologie im Bachelor. Seit 2022 ist sie beim ruprecht aktiv und leitet seit dem WiSe 2022 das Feuilleton.
Helena studiert Ethnologie und Soziologie seit dem Wintersemester 2020/21 und ist seit März 2021 bei ruprecht dabei.