Es beginnt mit einem Klick, gefolgt von dem Schwirren einer Kassette. Eine müde und genervt klingende männliche Stimme verkündet auf Englisch, dass er, Jonathan Sims, nun der Hauptarchivar des Magnus In-stitutes für paranormale Forschung sei, nachdem seine Vorgängerin mysteriös verstorben sei. Das Archiv befinde sich im Chaos und um etwas Ordnung zu schaffen, werde er einige Zeugenaussagen vorlesen und aufnehmen. Der Pod-cast heißt „The Magnus Archives“, ein wöchentlicher Horror-Podcast, ungefähr eine halbe Stunde lang – und er ist der Beste, den ich je gehört habe.
Über die nächsten fünf Jahre erscheinen 200 Folgen des Podcasts, die zusätzlich Themen wie Menschlichkeit, Hoffnung, Liebe und Schuld aufgreifen und besser abhandeln, als es auch nur im entferntesten Sinne zu erwarten wäre. Omnipräsent ist trotzdem in jeder Folge die gleichzeitig mysteriöse und allgegenwärtige Angst, welche die Welt der Protagonisten heimsucht.
Zu Beginn wirken die einzelnen Folgen relativ zusammenhangslos, aber langsam weben sich die einzelnen Auf-nahmen in eine übergreifende Geschichte zusammen. Am Ende ist aus vereinzelten Gruselgeschichten eine Ge-schichte entstanden, in deren Zentrum eine unausweichliche kosmische Angst steht.
In jeder Folge wird eine neue Stellungnahme vorgelesen, am Rande spielt sich ein langsam aufbauender Hand-lungsbogen ab, in dem die Mitarbeiter des Instituts versuchen herauszufinden, wie viel Wahrheit in den Stellung-nahmen tatsächlich steckt. Dabei kommen die meisten Horror-Tropes mindestens einmal vor: Mörderpuppen, gru-selige Kinder, unheilbare Krankheiten und Kulte von böswilligen göttlichen Entitäten erfüllen ihre bekannten Rollen, ohne einfallslos zu wirken.
The Magnus Archive greift jeden Vorteil des Audiomediums auf
Das Audioformat kommt dem Inhalt zugute, besonders durch das immer besser werdende Soundscaping. Die Erschaffer des Podcasts, Jonathan Sims, der wie sein Protagonist heißt, und Alexander Newall haben hier eine der besten und einsteigerfreundlichsten Horror-Anthologien, sogar eines der besten Medienstücke überhaupt, produ-ziert. Sie kombinieren mühelos Horror-Anthologie, Mystery, kosmische Angst und emotionale Charaktermomente. Sogar im Bezug auf LGBTQ+- und POC-Repräsentation wird man hier fündig, und zwar ohne dass es kitschig oder aufgezwungen wirkt.
Im Jahr 2019 wird der Podcast fünf Mal bei den Audioverse Awards mit dem ersten Platz ausgezeichnet; unter anderem für „Vocal Direction of a Production“ und „Writing of an Audio Play Production“. 2020 sind es neun, da-runter auch der Preis für „Best Audio Play Production“.
„The Magnus Archives“ ist eine Erzählung, die jeden Vorteil des Audiomediums aufgreift, da-bei auch noch Form und Inhalt gelungen ineinander einfließen lässt und trotzdem nicht abge-hoben wirkt. An diesem Podcast ist für alle etwas dabei – wenn man sich seiner Angst stellen kann.
...studiert seit dem WiSe 2021 im Bachelor in Geschichte und Religionswissenschaft – beim ruprecht ist sie seit Studienbeginn, hat zwischendurch Hochschule mitgeleitet und ist zurzeit im Layout-Team. Bei Gelegenheit produziert sie auch Illustrationen für Artikel und schreibt am liebsten über Medien und internationale Themen.