PRO: Sebastian Harnisch (Professor für Internationale Beziehungen an der Universität Heidelberg)
Nach der völkerrechtswidrigen russischen Invasion hat die Bundesrepublik zunehmend schlagkräftigere Waffen an die Ukraine gesendet. Diese und weitere Lieferungen sind völkerrechtlich zulässig, politisch geboten und moralisch vertretbar, wenn sie der Selbstverteidigung der Ukraine dienen. Die Wertgebundenheit des Grundgesetzes stützt den (potentiellen) Waffeneinsatz und die Waffenweitergabe zum Schutz der Mitglieder der Völkerrechtsordnung. Dies gilt insbesondere dann, wenn der VN-Sicherheitsrat dem angegriffenen Staat oder der Gruppe nicht zu Hilfe eilt. Moralisch vertretbar ist die Weitergabe von Waffen dann, wenn die jeweilige Regierung diese Waffen primär zum Schutz ihrer Bevölkerung und der territorialen Integrität einsetzt, und dabei das humanitäre Völkerrecht achtet. Täte sie dies nicht, dann hätte der Schutz der Zivilbevölkerung bzw. die Aufrechterhaltung der Völkerrechtsordnung Vorrang und es dürften keine Waffen mehr geliefert werden.
CONTRA: Sahra Mirow (Fraktionsvorsitzende der Linken im Heidelberger Gemeinderat)
Der furchtbare Krieg in der Ukraine ist erschütternd. Putins völkerrechtswidriger Angriff ist ein Verbrechen und durch nichts zu rechtfertigen. Schon lange leiden die Menschen unter dem Kampf um Einflusssphären, nun sind viele auf der Flucht. Ihnen gilt unsere Solidarität. Als Partei des Völkerrechts und des Friedens lehnen wir jeden Angriffskrieg ab. Wie also beenden wir diesen Krieg und verhindern eine weitere Eskalation? Wie schaffen wir es, Frieden zum Prinzip internationaler Politik zu machen und die materielle Grundlage hierfür zu schaffen? Diese Debatte brauchen wir als Gesellschaft. Stattdessen überschlagen sich die Parteien mit Forderungen nach Waffen und Aufrüstung, sogar nuklearer Art. Dabei ist der Bundeswehr-Etat in den letzten Jahren enorm gestiegen. Statt weitere Milliarden in Beraterfirmen und Rüstungskonzerne zu versenken, sollten wir diskutieren, wie echte Friedenspolitik für die Menschen in der Ukraine aussehen kann.
These 1: Die Lieferung von Waffen an die Ukraine bedeutet die aktive Teilnahme der Zivilmacht Deutschland am Krieg gegen Russland.
Harnisch: Mit ihrem Beitritt zu den Vereinten Nationen und ihrem System kollektiver Sicherheit (Kapitel VII, VN-Charta) hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, den Opfern völkerrechtswidriger Angriffe – Staaten aber auch Individuen – passive oder aktive Unterstützung zukommen zu lassen, sodass diese sich selbst oder durch eine autorisierte Gruppe von Staaten schützen konnten (Bosnien, Somalia, Kosovo etc.). Angesichts rechtswidriger Gewalt ist kein Staat oder Individuum verpflichtet, tatenlos zuzusehen. Da Zivilmächte sich für die Zivilisierung, das heißt Rechtsbindung von Verhalten, einsetzen, ist die Lieferung von Waffen an die Ukraine eine legitime und „passive“ Form der Unterstützung des Rechtes der Ukraine auf Selbstverteidigung. Zivilmächte sind keine globalen Zivildienstleistenden. Vielmehr setzen sie sich für die Einhegung von Gewalt durch das Recht ein.
Mirow: Deutschland ist schon lange keine Zivilmacht mehr. Seit mehr als 25 Jahren nehmen deutsche Soldatinnen und Soldaten an Kriegs- und Besatzungseinsätzen in vielen Regionen der Welt teil. Mit der Lieferung von Kriegswaffen an die Ukraine verletzt Deutschland sowohl die Regelungen des Kriegswaffenkontrollgesetzes als auch die Exportrichtlinien der EU. Als besonders problematisch sehe ich die Lieferung schwerer Waffen, die eine entsprechende Ausbildung voraussetzen. Spätestens mit dieser Ausbildung wird Deutschland nach Aussage des wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestags zur Kriegspartei. Die Linke hat sich stets gegen Waffenlieferungen ausgesprochen, denn sie sind ein grausames Geschäft mit dem Tod. Deutschland verkauft Waffen in alle Welt, sogar an Länder wie die Türkei, die ganz aktuell kurdische Städte angreift und Zivilisten tötet.
These 2: Da die Ukraine ein Land Europas ist, stellt die Unterstützung durch Kriegswerkzeug eine Verpflichtung Deutschlands dar.
Harnisch: Die Bundesrepublik darf Waffen selbst nur zum Zweck der Verteidigung einsetzen (Art. 87 GG) und diese auch nur für den Zweck der individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung nach außen weitergeben. Die Planung oder Unterstützung eines Angriffskrieges ist ihr verboten (Art. 26 GG). Für diesen Wesenskern der deutschen Sicherheitspolitik ist es unerheblich, ob ein Land in Europa liegt oder nicht. Waffenlieferungen bergen immer Risiken, die im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden müssen. Wer die Gefahr einer Eskalation durch deutsche Waffenlieferungen bemessen möchte, sollte das jeweilige deutsche Engagement, zum Beispiel die Ausbildung ukrainischer Soldaten an Haubitzen auf deutschem Territorium, daher auch in ein Verhältnis zu den Lieferungen und Handlungen anderer Verbündeter, beispielsweise der USA oder Polens, setzen, um zu einer realistischen Einschätzung zu gelangen.
Mirow: Die aktuelle Situation für eine massive Aufrüstung zu nutzen ist falsch. Die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr helfen den Menschen in der Ukraine nicht, werden aber dringend gebraucht zum Beispiel für die Bekämpfung des Klimawandels. Die Rufe, Deutschland müsse die militärisch dominante Macht in Europa werden, beunruhigen mich zutiefst. Seit dem Zweiten Weltkrieg gab es viele Konflikte und Kriege, auch in Europa. Die Wahrung der Menschenrechte muss an erster Stelle stehen – ganz egal ob in der Ukraine, in Syrien oder im Jemen. Deutschlands Verpflichtung muss darin liegen, sich für eine friedliche Außenpolitik und einen gerechten Welthandel einzusetzen. Die Bereitstellung von Kriegswerkzeug hingegen erhöht die Eskalationsspirale. Vielmehr braucht es zielgerichtete Sanktionen gegen Putins Verbündete und die Rüstungsindustrie, um Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen.
These 3: Durch die militärischen Unterstützungsmaßnahmen Deutschlands kann eine schnellere Friedenssicherung gewährleistet werden
Harnisch: Die Lieferung von Waffen durch Deutschland vergrößern die Chancen, dass sich zwei Einschätzungen verändern: Zum einen wird die Hoffnung der russischen Führung frustriert, durch weitere Kampfhandlungen mehr Territorium zu erlangen, sodass der Rechtfertigungsdruck auf das Regime steigt. Zum anderen stärkt die Sicherung und Wiedererlangung von Territorium durch Waffenlieferungen die Bereitschaft innerhalb der ukrainischen Führung und Bevölkerung, auch ohne Teile der Separatistengebiete in Luhansk und Donezk sowie der Krim, in Waffenstillstandsverhandlungen einzutreten. Waffenlieferungen können also Waffenstillstände wahrscheinlicher werden lassen. Friedenschließen können aber nur die Konfliktparteien, wenn sie bereit dafür sind.
Mirow: Angesichts der Bilder von Leid und Zerstörung liegt der Impuls, Waffen und Soldaten zu entsenden, nahe. Doch sind militärische Unterstützungsmaßnahmen wirklich geeignet, einen Krieg zu beenden? Besteht nicht vielmehr die Gefahr einer weiteren Eskalation, möglicherweise bis zu einem Atomkrieg? Statt Aufrüstung und Mobilmachung brauchen wir ernstgemeinte Initiativen zur Friedenssicherung, flankiert durch diplomatischen und wirtschaftlichen Druck. Darüber hinaus brauchen wir gemeinsame verbindliche Regeln bei zwischenstaatlichen Konflikten, eine Stärkung des Völkerrechts und der UNO und die Wiederaufnahme von Verhandlungen zu Abrüstungsverträgen, insbesondere der atomaren Abrüstung.
...interessiert sich für Kultur und Politik und studierte deshalb Germanistik im Kulturvergleich und Politikwissenschaften. Seit 2021 schrieb sie für den ruprecht und leitete Seite 1-3. Am liebsten widmet sie sich gesellschaftspolitischen Themen und Fragen, die unsere Generation bewegt.
Servus,
also so richtiges Contra kann ich nicht erkennen. Nur Fragen und wage Thesen.
Eine Opfer Täter Umkehr, aus eigener Angst.
Ja auch ich habe Angst, vor einer totalen Eskalation. Aber hat nicht Putin angefangen und aufgehört zuzuhören?
Was wäre wenn „ER“ aufhört zu Schießen. Der Krieg wäre sofort zu Ende.
Frage von Contra? „Doch sind militärische Unterstützungsmaßnahmen wirklich geeignet, einen Krieg zu beenden?“
Gute Frage: Ja sind sie, wenn ein anderer einen anderen angreift, Bombenwirft,
sein „KRIEGSGERÄT“ gegen das Land einsetzt, nicht zuhört, den schwächeren unterdrücken will.
Frage an Contra; Wenn du dort wärst, also von Anfang an, und „Kriegsgerät“ überrollt dein Land, mit dem Kriegsgerät werden deine Freunde erschossen. Was würdest du dann machen?
Schlafen legen? Mit der Weißen Fahne auf sie zulaufen und sagen; nehmt gerne alles, Tötet meine Freunde.
Alles gut, ich werde kein Kriegsgerät einsetzen. Mein Land ist jetzt deines.
Und wenn du willst geh zum Nachbarland und nimm dir auch noch was.