Es ist ein warmer Sommertag in Heidelberg. Events finden wieder statt, Musik klingt in der Luft und alle haben Lust. Im Kulturhaus Karlstorbahnhof ist ein „Open Mic“-Abend. 14 Acts, vorbeifahrende Autos gleichen Instrumenten, die Sonne prallt ins Gesicht wie eine Aufforderung zum Tanzen. Die jungen Künstler:innen trinken bereits ihre Mate und warten darauf, die Menschen zu bereichern. Kameras werden aufgestellt, Gästelisten geschrieben und in der Ecke ertönt bereits eine klirrende Gitarre. Ein gewöhnlicher Anfang eines Moonlit Brooks Events.
Moonlit Brooks, das sind die beiden Heidelberger:innen Tanya Gautam und Denny Seidel. Es ist nicht das erste Event, dass die Beiden organisieren. 2019 trägt das Duo Gedichte mit Klavierbegleitung im Palais Rischer vor und bietet anderen jungen Musiker:innen erstmalig die Möglichkeit, auch aufzutreten. Vier Stunden später finden die Beiden eine junge Heidelberger Musikszene vor, die noch viel größer ist als gedacht. Mit ihren Open Mics wird jungen Künstler:innen ein Raum geschaffen, in dem sie ihr Selbstvertrauen aufbauen und Lampenfieber loslassen können. Die einzige Voraussetzung ist die Liebe für die eigene Musik und die Musik anderer.
Um 19:30 Uhr fängt es mit dem ersten Künstler an. Sobald die erste Stimme erklingt, wird es still. Die Holzbänke sind bereits gut besetzt und die letzten sich herumtreibenden Personen finden langsam ihre Sitzplätze. Es folgen Acts jeglicher Musikrichtungen und Genres. Die kontinuierliche Musik, die von der Bühne erklingt, verspricht einen unvergesslichen Abend, und jede:r nachfolgende Künstler:in die:der die Bühne betritt bestätigt nur dieses Versprechen.
Hinter jeder Bühnenminute stecken 100 Stunden Übung
Wer ein Event vor Ort nicht besuchen kann, wird von „Musikbox“ versorgt. Die fünfköpfige Crew aus Musiker:innen, Tontechniker:innen, und Video- und Fotograf:innen betreibt eine Plattform, auf der sie kleine Künstler:innen und Newcomer:innen aus der Region unterstützen. Dort produzieren und bearbeiten sie Audio- und Videoaufnahmen für spätere Veröffentlichungen. Live-Acoustic-Sessions, wie die vielfach geliebten „Tiny Desk Concerts“ von NPR, 1:1-Aufnahme-Sessions, und bald auch Studioaufnahmen, organisiert Musikbox. Eine eingespielte Zusammenarbeit: das Duo, das Events für junge Künstler:innen veranstaltet und das Quintett, das diese Events aufnimmt.
Diese Zusammenarbeit wurde überall in Heidelberg unterstützt; im Palais, in der Leitstelle, im Paradoxon und jetzt auch im Karlstorbahnhof. Für interessierte Künstler:innen hat Tobias Breier, der für PR und Presse im Karlstorbahnhof zuständig ist, ein paar Ratschläge: Das Ziel sei nicht, zu sagen: „Ich will mal auf der Karlstorbahnhof-Bühne stehen“, sondern: „Ich will doch einfach nur Musik machen.“ Hinter jeder Minute auf der Bühne stecken 100 Stunden Übung. Es sei auch wichtig, selbst auf Konzerte zu gehen. „Ich geh dahin, ich höre es mir an und ich will rausfinden, wie sie das machen und wieso das Publikum hier ist“ meint Tobias. „Die Leute lernen dich kennen und du lernst sie kennen – du wirst Teil der Szene. Und als Musiker:in muss man als Rezipient:in Teil der Szene sein, bevor man irgendwann Akteur:in werden kann.“
Auf Musikaufnahmen werde ebenfalls viel Wert gelegt, hier reiche auch eine Handyaufnahme. „Nimm deinen Song jeden Tag einmal auf mit dem Handy und hör es dir wirklich an – es wird jeden Tag besser“, versichert Tobias. Man merke dann, ob etwas beispielsweise mit den Vocals nicht stimme. Hauptsache sei, man setze sich oft daran und versuche, das Feeling zu vermitteln, das man selbst fühle. Außerdem solle man sich nicht davor scheuen nach Feedback zu fragen. Das könne durch andere Musik-Friends sein, oder in einer Email für Veranstalter:innen von Bühnenprogrammen. Mit diesem Feedback könne man an sich arbeiten und sich dann wieder melden, wenn man ready wäre.
Die aspirierenden Künstler:innen haben ihre Mate ausgetrunken, ihren Bühnenauftritt hinter sich gebracht und sich unter die Menge gemischt. Ein paar nehmen sich die Tipps von Tobias zu Herzen. Andere, wie der über 70-jährige Fletcher DuBois, der mit seinen inspirierenden Folk-Klängen das Publikum verzaubert, brauchen sie nicht mehr. Insgesamt haben Musiker:innen und Publikum dank Moonlit Brooks einen magischen Abend erlebt. Das Duo wird diese Magie nicht zum letzten Mal im Karlstorbahnhof verbreiten.