BeReal heißt der neueste Social Media-Hype. Das Konzept ist einfach: Einmal täglich lädt man ein ungefiltertes Bild aus dem Alltag hoch. Doch wie echt ist der Content auf der Plattform, die sich Realness auf die Fahne schreibt, tatsächlich?
Ich lade mir die App herunter und versuche, dieser Frage in den nächsten sieben Tagen auf den Grund zu gehen. Jeden Tag zu einer anderen Uhrzeit werde ich von der App aufgefordert, innerhalb von zwei Minuten ein Foto zu machen und zu posten. Auf die Fotos meiner Freunde kann ich mit RealMojis reagieren, quasi lebensechten Emojis, für die ich meine Reaktion als Foto einfange.
An Tag 1 klingelt mein Handy mit der Benachrichtigung gegen 21 Uhr. Ich bin mit Freunden beim Abendessen und freue mich, mein Highlight des Tages zu teilen: Cheeese! – und ein Bild von uns und Lasagne landet online. Mein Feed besteht aus lachenden Gesichtern vor Glühwein, müden Gesichtern vor Laptops und vielen Grimassen.
An Tag 2 sitze ich gerade in der Bahn auf dem Weg zu einer Verabredung, als mich die Benachrichtigung erreicht. Ich mit Maske und mein Blick aus dem Fenster – sehr unspektakulär. Ich ertappe mich dabei, wie ich mich ärgere, dass die Aufforderung nicht zu einem späteren Zeitpunkt kommt. Schließlich repräsentiert das Bild meinen Tag nicht wirklich.
Als ich am nächsten Tag zur „Time to BeReal“ wieder in der Bahn sitze, weigere ich mich. Mit einer Verspätung von 35 Minuten poste ich ein sogenanntes „Late BeReal“ vor dem Heidelberger Schloss. Mein Bild wird also mit dem Kainsmal „Late“ gekennzeichnet. Andere Nutzer:innen können also sofort erkennen, dass ich doch nicht so real bin und der Augenblick auch gestellt sein könnte.
Es kommt auch vor, dass ich gerade nicht mein Handy in der Hand habe, wenn die Aufforderung zum Posten kommt – zwei Minuten sind ein sehr knappes Zeitfenster. Das stört mich. Der Sinn der App ist es ja, genau im vorgegebenen Moment ein Foto zu machen. Selbst wenn ich das gleich beim nächsten Blick aufs Handy nachhole, fühlt es sich wie Schummeln an.
Von Tag zu Tag wird mir klarer: Ich bin nicht die Einzige, die nicht jede Minute des Tages aufs Handy schaut. Die Verspätungen, mit denen die BeReals meiner Freunde gepostet werden, schwanken zwischen 20 Sekunden und 20 Stunden. Worin liegt der Unterschied zu anderen Social Media Apps, wenn der vorgegebene Zeitrahmen ohnehin variabel ist?
Bekannte heben sich ihr BeReal Foto für einen Moment auf, der ihnen fotogen genug erscheint, ihn mit dem Internet zu teilen. Die haben das Prinzip gar nicht verstanden, denke ich, während ich mich den dritten Tag in Folge in meinem Bett beim Fernsehen fotografiere.
Es ist Tag 7 und ich ziehe Resümee. Das Mäuschenspielen in den Leben meiner Freunde macht mir Spaß und ich habe das Gefühl, über die Woche mit meinen Bildern ehrlicher geworden zu sein. Trotzdem will ich mir nicht von irgendeiner App vorschreiben lassen, welche Momente ich teile.
Das Handy vibriert und reißt mich aus dem Mittagsschlaf. Meine Haare sind zerzaust. Ich trage das Bibi & Tina T-Shirt. Dann wird es heute eben ein Late BeReal.
...studiert Französisch und Germanistik. Seit 2022 schreibt sie für den ruprecht über die kleinen und großen Fragen des studentischen Alltags.