Nachts im Club fallen die einen vor Müdigkeit vom Barhocker, während die anderen wild vor dem DJ-Pult tanzen und ohne Mühe erst in den Morgenstunden den Weg zurück nach Hause finden. Vom Barhocker-Sturz der letzten Nacht erholt, sitzen manche Studierende um 9 Uhr morgens wieder ausgeruht in der Vorlesung und lauschen den weisen Worten eines universitären Lehrenden.
Mit diesem Phänomen beschäftigt sich die Chronobiologie. Sie betrachtet die zeitliche Organisation von physiologischen Prozessen und wiederholten Verhaltensmustern von Organismen. Als Chronotypen werden in der Chronobiologie die unterschiedlichen Kategorien von Menschen bezeichnet, die aufgrund ihrer biologischen Uhr unterschiedliche physische Merkmale aufweisen. Dazu gehören beispielsweise Hormonspiegel, Körpertemperatur sowie Schlaf- und Wachphasen. Das Leistungsvermögen kann zu unterschiedlichen Tageszeiten unterschiedlich ausgeprägt sein. Manche Menschen sind also morgens wach und produktiv, wobei andere nachts leistungsfähiger sind und lieber ausschlafen.
Ein Chronotyp bestimmt also, wann ein Mensch innerhalb eines 24-Stunden-Zyklus am liebsten wach ist oder schläft. Menschen werden von der Chronobiologie in drei Typen eingeteilt: Der Frühtyp, der Spättyp und der Misch- oder auch Normaltyp, umgangssprachlich auch Lerche, Eule oder Taube genannt. Der Normaltyp ist, wie der Name schon verrät, der in der Gesellschaft häufigste Rhythmus.
Einen festen Stundenplan mit dem gleichen Rhythmus für alle gibt es an der Uni in der Regel nicht mehr. Zu Beginn des Semesters kann man sich den Stundenplan so zurechtlegen, wie es dem eigenen Rhythmus entspricht. Dabei kommt man trotzdem nie ganz um Pflichtveranstaltungen herum, die ungünstig liegen können.
Trotzdem ist das ein Vorteil für die Leistungsfähigkeit, denn neben dem Chronotypen gibt es auch noch verschiedene Schlaftypen, nämlich den Lang- und den Kurzschläfer:innen. Eulen sind oft Langschläfer:innen, während Lerchen eher wenig Schlaf brauchen. Die Chronobiologie lässt sich beim Menschen vereinfacht so erklären: Der zentrale Taktgeber eines Menschen befindet sich im Gehirn, kurz vor der Nasenwurzel, wird suprachiasmatischer Kern genannt und besteht aus einem Nervenzellknoten, der in etwa so groß ist wie ein Stecknadelkopf. Er liegt an der Stelle, an der sich die beiden Sehnerven kreuzen und erkennt so, ob es hell oder dunkel ist. Er ist außerdem mit der Zirbeldrüse verknüpft, die das Schlafhormon Melatonin herstellt. So kontrolliert der suprachiasmatische Kern den Rhythmus eines Menschen.
Die innere Uhr bestimmt auch, wie der Verdauungstrakt arbeitet, wann wir am leistungsfähigsten sind und wann Blutdruck und Körpertemperatur steigen.
Bis jetzt lässt sich der Chronotyp nur über Fragebögen herausfinden, Wissenschaftler:innen arbeiten aber an einer medizinischen Testung, die den Cortisolspiegel eines Menschen betrifft. Glaubt man der Chronobiologie, erfährt man durch das Leben nach dem eigenen Rhythmus erhebliche Vorteile. Als Eule kann man die Angebote der Universität nutzen und bis 1 Uhr nachts die Universitätsbibliothek in der Altstadt besuchen. Lerchen kommen mit Seminaren um 8 Uhr morgens auf ihre Kosten, während bei Eulen keine Veranstaltung vor 14 Uhr in Frage kommt.
Nina ist 20 Jahre alt und studiert Politikwissenschaft und Psychologie. Sie stuft sich selbst als Eule ein. „Was die Uni angeht, bin ich eher abends produktiv, wenn es ruhig ist und alle schon schlafen. Dann bekomme ich mehr erledigt. Dementsprechend bin ich eher länger wach. Ich belege Veranstaltungen in der Regel um 10 Uhr oder später, weil ich morgens nicht so aufnahmefähig bin und gemerkt habe, dass ich in der Uni gerne mal abschalte. Natürlich auch, weil ich oft Schlaf nachholen muss, wenn ich eher länger wach bin“, sagt sie.
Der ebenfalls 20-jährige Louis studiert Politikwissenschaft und Geschichte und bezeichnet sich selbst als Lerche: „Ich brauche meinen Schlaf, sonst funktioniere ich nicht“ Seinen Stundenplan habe er so gut es geht der inneren Uhr angepasst. „Ich wollte mehr frühe Sachen haben, damit ich aus dem Bett komme und dadurch mehr vom Tag habe, um produktiv zu sein“.
Die beiden finden es sehr hilfreich, dass man an der Universität zumindest Seminare frei wählen kann. Im Gespräch mit weiteren Kommiliton:innen wird klar, dass alle einen eigenen Rhythmus haben und lernen, diesen entsprechend zu nutzen. Betrachtet man die Biologie hinter Schlafrhythmen, fällt auf, dass es in Ordnung ist, mehr auf sich selbst zu hören. Wenn du also mittags einnickst oder morgens gerne ausschläfst, hat das vermutlich einen guten Grund
...studiert Politikwissenschaften und Literaturwissenschaft und schreibt seit dem Wintersemester 2021/22 für den ruprecht. Nach langer Zeit in der Leitung widmet sie sich nun hauptsächlich Meinung, investigativen Recherchen und gesellschaftskritischen Themen.