Carolin Worbs und Miguel Robitzky fallen regelmäßig in Rabbit Holes. In ihrem Podcast schließen sie die Browsertabs, aber nicht ohne zuvor über die Juwelen ihrer Recherchefunde zu sprechen
Die meisten haben es, kaum jemand spricht darüber: Das Tabs-Sammelproblem begleitet uns im Alltag. Egal, ob für die Hausarbeit oder bei der nächtlichen Nur-Noch-ein-Youtube-Video-Kettenreaktion – es sind zu viele Tabs und wir verlieren uns im Internet, wie Alice im Wunderland. Auch Carolin Worbs und Miguel Robitzky kennen dieses Problem und haben den Podcast „too many tabs“ daraus gemacht. Jede Woche sprechen sie gemeinsam über die Themen, die sie nicht mehr loslassen und eröffnen dabei auch den Hörer:innen neue Welten. Im Januar 2023 sind sie live beim SWR-Podcastfestival in Mannheim zu sehen.
In jeder Folge schließt ihr zusammen eure Tabs zu jeweils einem bestimmten Thema. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, aus dieser alltäglichen, fast schon beiläufigen Routine ein Podcast-Konzept zu machen?
C: Es war schon überfällig. In Deutschland ist es schwierig, unseren Job zu machen und keinen Podcast zu haben. Wir waren praktisch die Letzten, die noch keinen hatten.
M: Und abgesehen davon haben wir privat und beruflich immer sehr viele Tabs offen, daher ist es nicht so selbstlos wie es scheint, einen Podcast daraus zu machen. Wir müssen die Tabs wirklich schließen, es hat also einen Selbstzweck und man kann sie danach guten Gewissens weglegen.
C: Es ist ein bisschen wie eine Tabs-Therapie.
Wie sind die Reaktionen eurer Hörer:innen?
C: Wir bekommen viel Feedback und das ist super schön. Sehr viele Leute schicken uns ihre Tabs und Rabbit Holes mit Links und Sprachnachrichten. Da waren schon richtig coole Sachen dabei. Manche haben wir bereits im Podcast benutzt.
M: Eigentlich ist es noch ein weiterer Job, sich diese ganzen Links anzuschauen, da es auch sehr zeitintensiv ist. Man kann deshalb leider nicht immer so schnell antworten, wie man gerne würde.
Was macht eurer Meinung nach eine:n gute:n Podcaster:in und einen guten Podcast aus?
M: Es kommt ganz auf das Konzept oder die Persönlichkeiten an. Generell muss aber eine gewisse Chemie zwischen den Hosts und dem Thema entstehen. Das kann man nicht planen. Man merkt einfach, wenn die Leute im Hintergrund selbst mit Lust und Engagement an der Sache beteiligt sind. Wenn es den Leuten beim Machen Spaß macht, macht es den Leuten beim Hören meistens auch Spaß.
C: Außerdem ist es bei jedem Podcast anders: Einem investigativen Podcast folgt man vielleicht eher, weil er gut recherchiert und spannend ist. Wenn ich früher Podcasts konsumiert habe, wollte ich aber das Gefühl haben, dass man die Hosts richtig kennenlernt und man eine Verbindung zu ihnen aufbauen kann.
Welche ist eure Lieblingsfolge bis jetzt?
M: Das ist, als ob man sein Lieblingskind auswählen müsste!
C: Eine Lieblingsfolge habe ich nicht. Aber Themen, bei denen ich sehr gerne drin war, waren Keshas Geister und die Voyager Golden Record.
M: Bei mir war es zum Beispiel der Kriegsbär, der eingeschickt wurde. Am Ende macht es aber der Mix an Themen, den man besprechen kann.
Ihr zwei arbeitet auch im Comedyautor:innenteam für das ZDF Magazin Royale. Unterscheidet sich die Recherche privater Rabbit Holes stark von der Recherchearbeit für die Sendung?
C: Es unterscheidet sich sehr, ob man etwas für sich selbst schreibt oder für jemand anderen. Für das ZDF müssen wir versuchen, so zu denken und zu schreiben, wie Jan Böhmermann sprechen würde. Auch bei den Formulierungen und der Struktur wählt man für das Fernsehen andere Dinge aus als für den Podcast. Es ist aber sehr schön, auch mal etwas für sich selbst zu schreiben.
M: Außerdem funktioniert der Podcast ohne Redaktion im Hintergrund. Im Fernsehen gibt es eine journalistische Redaktion, die für die Recherche verantwortlich ist. Beim Podcast sind es wir zwei, die nachts live die Fakten checken und Tabs schließen.
Steht ihr, sowohl im Fernsehen als auch für den Podcast, unter dem Druck, dauernd lustig sein zu müssen?
M: Eine grundpositive – oder negative – Lebenseinstellung schadet in diesem Job sicher nicht. Mir hilft es, dass man versucht per se einen heiteren Aspekt bei sämtlichen Themen zu sehen. Dann ist es gar nicht so ein großer Druck und gerade im Podcast können wir auch ernste Themen ansprechen, ohne Witze darüber zu machen.
C: Da ist der Druck in der Fernsehsendung eher etwas höher. Unter anderen Autor:innen möchte jede:r eine gute Idee pitchen oder einen guten Gag bringen.
Caro, du bist Studentin an der Universität Bonn: Wie geht Studium und Medienmachen zur gleichen Zeit?
C: Es funktioniert ganz einfach, indem man die Bachelorarbeit fünf Jahre lang liegen lässt.
M: Oder, wie ich, gar nicht erst anfängt zu studieren!
C: Ich habe alles bis auf die Bachelorarbeit gemacht. Dann bin ich in die Medienwelt abgerutscht, habe verschiedene Praktika gemacht und hier in der Firma hat es mir so gut gefallen, dass ich geblieben bin. Ich studiere ja, um meinen Traumjob zu machen, und da hatte ich die Chance, das zu machen, was mir wirklich Spaß macht.
Miguel, du bist unter anderem auch Karikaturist und Grafikdesigner: Geben dir die Themen der Rabbit Holes manchmal unverhofft Inspiration für deine Zeichnungen?
M: Das Buch über Ludwig II. und sein Pferd, das ich gemacht habe, hat auch als Rabbit Hole begonnen. Das hätte man auch im Podcast besprechen können. Manchmal hat man verschiedene Themen rumliegen und schaut, in welche Schublade sie passen: Ist es eher ein Podcast-Thema, eher für ein Buch oder für die Sendung?
Wessen absurde Tabs würdet ihr zusammen gerne schließen?
C: Die Tabs von Frau Merkel würden mich interessieren.
M: Genau, die hat ja jetzt Zeit.
C: Oder die von Beyoncé.
Gibt es auch Wochen, in denen die Tabs von eurer Recherche zu langweilig sind oder ihr in kein Rabbit Hole gefallen seid?
M: Bisher ist das noch nicht vorgekommen. Noch haben wir ein Repertoire an Themen, aber ich bin gespannt, wie es bei Folge 50 aussehen wird.
C: Vielleicht wird es irgendwann ein großes Communityprojekt, in dem wir allgemeine Tabs besprechen.
Was ist der ultimative Profi-Tipp, um aus einem Long Time Rabbit Hole unbeschadet wieder herauszukommen?
M: Long Time Rabbit Holes sind wie die Pubertät, jeder muss mal durch. Es ist genauso schmerzhaft und unangenehm, aber es lohnt sich. Und es ist ein befreiendes Gefühl, wenn man als Schmetterling aus dem Kokon wieder herauskommt und die Tabs los ist.
Caro, lieber Spezikriegskorrespondentin sein oder Keshas Geister besuchen?
C: Ich glaube der Spezikrieg ist nichts für schwache Nerven, deswegen lieber mit Kesha Geister jagen.
Miguel, lieber Techno aus Pilzen oder Benjamin-Blümchen-Psychoterror zum Einschlafen hören?
M: Benjamin-Blümchen-Psychoterror zum Einschlafen hören. Benjamin geht immer. Selbst die Horror-Folgen sind wholesome und nehmen mich in den Arm.
Das Gespräch führte Mona Gnan
...studiert Germanistik im Kulturvergleich und Geschichte. Sie schreibt seit 2021 für den ruprecht. Mona berichtet gerne über Kultur, die Welt und alle möglichen Diskurse. Eigentlich über alles, was die Gesellschaft gerade bewegt - oder bewegen sollte.