Die Berichte ähneln sich – erst die Impfung gegen Covid, dann ein veränderter Zyklus. Auch wenn Betroffene starke Reaktionen zeigen, haben Expert:innen dazu eine klare Meinung
Einmal waren es 20, einmal 28 und dann 15 Tage“, sagt Verena. Sie ist Grundschullehrerin in Baden-Württemberg und hat sich im April mit BioNTech impfen lassen. Fünf Monate lang hat die Länge ihres Zyklus daraufhin geschwankt. Zudem war die Blutung deutlich stärker. „Einmal musste mir mein Mann neue Anziehsachen in die Schule bringen“, erzählt sie. Der unregelmäßige Zyklus führte außerdem dazu, dass Verena, die zu der Zeit mit der Kalendermethode verhütete, ungeplant schwanger wurde. Durch die Schwankungen funktionierte die Kalendermethode nicht mehr. Zwar war die Schwangerschaft nicht geplant, aber auch nicht ungewollt: „Wir waren prinzipiell auf ein drittes Kind eingestellt“.
Verena berichtet, dass ihr Frauenarzt immer wieder Patientinnen habe, die nach der Impfung mit BioNTech eine Zyklusveränderung hatten. Von wissenschaftlicher Seite gibt es jedoch kaum Studien oder andere Daten, die das Phänomen untersuchen. Es bleibt bei Erfahrungsberichten und vereinzelten Erklärungsversuchen.
Nach einer Impfung bildet das Immunsystem Antikörper, was wiederum viele Ressourcen beanspruchen kann – Schläfrigkeit, Fieber, grippale Symptome, ein pochender Arm. Die weniger zentralen Körperfunktionen wie der weibliche Zyklus könnten hintenangestellt werden. In manchen Fällen wird die Menstruation unregelmäßig. Doch nicht nur die Impfung, sondern bereits Aufregung vor der Impfung kann zu Stress führen, der wiederum starke Nachwirkungen auslöst. Solche Reaktionen haben mit dem Impfstoff selbst nichts zu tun.
Das Hormonsystem ist ein träges Uhrwerk. Zwei bis drei Monate kann es dauern, bis der Zyklus sich wieder eingependelt hat. Viele Frauen kennen das von der Pille. Nachdem man sie absetzt, kann es ebenfalls mehrere Monate dauern, bis sich alles wieder eingespielt hat. Die Tübinger Gynäkologin Antje Forstmann bestätigt dies und erklärt, „dass die Impfung, wie jeder kleine Infekt, den Zyklus stören kann. Der Eisprung verschiebt sich, wenn der Körper es zu unsicher findet, schwanger zu werden.“
Auch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) in Berlin sieht keine außerordentliche Lage. Die Einrichtung des Bundes ist für die Sicherheit von Impfstoffen zuständig und sammelt Berichte über unerwünschte Nebenwirkungen. Bis Ende Juni wurden dem Institut 310 Einzelfallmeldungen mit 368 „unerwünschten Ereignissen“ in Form von Zyklusstörungen berichtet, wie aus dem Sicherheitsbericht vom 19. August hervorgeht. Von diesen Meldungen wurden 34 Fälle – also knapp zehn Prozent – als schwerwiegend bezeichnet.
Die Frauen berichteten von einem „breiten Spektrum zum Teil auch wenig spezifischer Beschwerden“, heißt es in dem Bericht. Dazu gehören Zwischenblutungen, eine verstärkte oder ausbleibende Menstruation und andere Zyklusunregelmäßigkeiten. Das PEI bewertet das so: „Unter Berücksichtigung der Anzahl geimpfter Frauen in den relevanten Altersgruppen und der Häufigkeit von Zyklusstörungen erscheint die Zahl der Meldungen nicht ungewöhnlich hoch zu sein.“ Allerdings sei davon auszugehen, dass insbesondere vorübergehende Zyklusstörungen nicht berichtet würden.
Auch der für die Bewertung von Risiken zuständige Ausschuss bei der Europäischen Arzneimittelagentur, PRAC, sieht „keinen kausalen Zusammenhang zwischen Covid-19-Impfstoffen und Zyklusstörungen.“
Entwarnung kommt außerdem von Christian Albring, dem Präsidenten des Berufsverbandes der Frauenärzte. „Dass Frauen nach irgendeiner Impfung eine dauerhafte Veränderung ihres Menstruationszyklus erleben würden, also mehrere Monate deutlich verstärkte, verlängerte Blutungen und kontinuierlich verlängerte oder verkürzte Zykluslängen, ein solches Phänomen ist unbekannt“, sagte Albring Ende September der Deutschen Presse-Agentur.
Sehr wahrscheinlich stellt eine Impfung gegen Covid-19 also keine Gefahr für den weiblichen Zyklus dar. Der Nutzen überwiegt das Risiko deutlich. Verena denkt da ähnlich. Auch wenn sie vor der Impfung von den Erfahrungsberichten gehört hätte, würde sie sich wieder impfen lassen. „Ich bereue es nicht“, sagt sie.
von Mia Eitel und Thomas Degkwitz
Mia Eitel studiert Geschichte und Germanistik und schreibt seit Herbst 2021 für den ruprecht. Seitdem sie ideologiekritische Filmkritiken verfasst, muss sie das Feuilleton auch lesen. Eitel begeistert sich neben Kultur für Politik, Poesie und Pommes (rot weiß).
Thomas Degkwitz will seit 2019 die Netzwerke der Stadt verstehen. Das hat er für zwei Jahre auch als Ressortleiter “Heidelberg” versucht. Ihm ist das Thema Studentenverbindungen zugelaufen, seitdem kümmert er sich darum. Außerdem brennt er für größere Projekte wie die Recherche zur Ungerechtigkeit im Jurastudium. Lieblingsstadtteil: die grünflächige Bahnstadt (*Spaß*)