Florian Freistetter erklärt in seinem Podcast „Sternengeschichten“ das Universum. Wie begeistert man Jung und Alt für Kometenwein, Bariumsterne und die Monde des Pluto? Ein Gespräch über eine Erfolgsgeschichte
ruprecht: Sie haben mit „Sterngeschichten“ vor über 10 Jahren angefangen, lange bevor das Podcasten zum Trend wurde. Wie kamen sie damals dazu, einen Podcast zu starten?
Florian Freistetter: Ich habe davor schon einige Jahre lang meinen Blog geschrieben und wollte etwas Neues, ein neues Medium ausprobieren. Ich habe zuerst gedacht, ich probiere Videos zu machen, dann auch drei Videos gemacht und festgestellt, dass es meine technischen Fähigkeiten übersteigt. Also habe ich gedacht, ich lasse das und probiere es mal mit einem Podcast.
Mittlerweile ist dieser Podcast sehr etabliert. Was ist das, was an „Sternengeschichten“ so gut funktioniert?
Einer der Hauptpunkte, warum die Sternengeschichten so gut sind, ist, dass es sie seit über zehn Jahren gibt. Wenn etwas lang genug da ist, dann findet es irgendwann sein Publikum. Und ja, natürlich sind auch die Inhalte ein wichtiger Punkt. Ich bemühe mich in einer Folge der Sterngeschichten eine abgeschlossene Geschichte zu erzählen. Man soll sie anhören können, ohne dass man sämtliche Folgen davor gehört hat, oder Vorwissen haben muss. Mich mit aktuellen Themen beschäftigen, das mache ich bei den Sternengeschichten ganz explizit nicht. Der Start des James-Webb-Teleskops oder die neue Entdeckung auf dem Mars, das sind alles Nachrichtenthemen, die in dem Moment interessant sind, aber ein Jahr später kann niemand mehr etwas damit anfangen. Das heißt, ich suche immer nach zeitlosen Themen, damit Menschen zu einem beliebigen Zeitpunkt einsteigen können. Ganz ursprünglich war meine Idee mit den Sternengeschichten einfach so eine Art Sandmännchen, auch für Erwachsene, mit Astronomie.
Wie kommen Sie auf die Folgenthemen?
Ich wollte keinen Grundkurs Astronomie machen. Das hätte ich nicht attraktiv gefunden, weil die Astronomie und das Universum allgemein ja so viel mehr sind. Es geht nicht nur um Erkenntnisse der Wissenschaft, sondern auch um die Art und Weise, wie diese gewonnen wurden. Was das für Menschen dahinter waren. Ich kann zwar erzählen: „Dieser Stern funktioniert so und so und dieses Phänomen ist dieses und jenes.“ Aber mich interessiert dann immer, wer hat das eigentlich rausgefunden? Irgendwer muss sich gedacht haben: „Ich will das wissen!“ Und dann hat die Person das rausgefunden.
Ich kann vielleicht nicht auf den ersten Blick verstehen, was zum Beispiel baryonisch-akustische Oszillationen sind oder die „21-cm-Linie“, aber ich kann nachvollziehen, dass es Menschen gab, die irgendwas rausfinden wollten, die begeistert waren. Wenn ich mir anschaue, was das für Menschen sind, die sich mit dieser 21-cm-Linie beschäftigt haben, dann habe ich eine Verbindung zu diesem wissenschaftlichen Thema, die ich ohne diese biografisch-historische Ebene gar nicht hätte.
In der Folge erklären Sie den Doppler-Effekt und Spin-Flip-Transitions auf möglichst verständliche Weise. Wie gehen Sie heran, wenn Sie sich so eine Erklärung ausdenken?
Oft nutze ich auch da Dinge, die andere schon gemacht haben. Es gibt ganz viele andere Menschen, die gut darin sind, Wissenschaft zu erklären und ich lese ganz allgemein auch sehr viele Dinge. Und dann denke ich darüber nach. Meist wenn ich probiere, Spin zu erklären, sage ich auch tatsächlich dazu, man kann sich da jetzt jede Menge ausdenken, aber es gibt nichts, was den quantenmechanischen Spin veranschaulicht und dass das nur durch Mathematik verständlich ist und wenn man die Mathematik weglässt, dann muss man akzeptieren, dass es Eigenschaften wie Spin gibt, für die es keine anschauliche Entsprechung gibt. Und der Doppler-Effekt lässt sich wirklich einfach erklären.
Und solange ich nicht mehr in die Tiefe gehen muss, reicht es vollkommen, dass man nicht so wie in der Wissenschaft alle Details darstellen muss. In der Wissenschaft ist es wichtig, möglichst nichts auszulassen. Natürlich ist das, wenn ein Auto mit Sirene vorbeifährt, schon im Detail was anderes als ein Atom, das sich hier von A nach B bewegt und Strahlung aussendet, da gibt es viel mehr zu beachten, aber wenn es einfach nur darum geht, dass die Menschen ein Gefühl dafür kriegen, was ist es, was mit diesem Licht passiert, dann reicht ein Satz zum Polizeiauto.
Das Problem ist, es hat ja auch längere Zeit dieses aus den 70er, 80er Jahren stammende Defizitmodell vorgeherrscht, dass davon ausgegangen ist, dass die Menschen zu wenig wissen über Wissenschaft und dass diese Defizite einfach nur mit leicht verständlicher Sprache gefüllt werden müssen. Das hat noch nichts mit, zumindest meiner Meinung nach, echter Wissenschaftskommunikation zu tun.
Finden Sie es wichtig, dass jeder Mensch ein Stück Astronomie-Bildung erfährt?
Ich fände es gut, wenn die Menschen Lust hätten, mehr über die Welt zu wissen, in der sie leben und wie sich dieses Wissen dann genau äußert und wie dieser Drang nach Wissen ausgelebt wird, das ist ja sekundär wichtig.
Das Gespräch führte Louise Kluge