Menschen stecken sich selbst und andere gerne in Schubladen. Das ist maximal problematisch – und trotzdem tun wir es immer wieder.
Wir versuchen unser Sein zu analysieren, zu ergründen, zu erklären. Früher waren es die Psychotests in der Bravo, dann die Charaktertests auf BuzzFeed (Welche Brotsorte bist du?!) und heute sind es Filter, die sich irgendwelche Influencer:innen auf TikTok vor die Stirn klatschen. Wir lieben es zu erfahren, welchen Seriencharakteren wir am meisten ähneln und was unser mentales Alter ist. Wir haben selbst keine Ahnung, wer wir sind. Und die Labels, die wir uns geben, sind Trostpflaster, mit denen wir uns zukleistern – manchmal ernster gemeint, manchmal weniger. Doch meistens in der Hoffnung, dass sie uns zusammenhalten. Aber was, wenn das Internet ausfällt, und wir das Onlineorakel gerade nicht befragen können, welcher Wochentag wir sind? Die Antwort: Entweder-Oder-Fragen. Die kleinen Geschwisterchen der Psychotests. Im Folgenden eine Auswahl, die euch vielleicht sogar inspiriert: Für einen Fragebogen beim nächsten WG-Casting, für das nächste Date oder für Erstis, die auf Freundschaftssuche sind.
1. Nudelkochzeit timen oder nicht?
2. Nach Rezept kochen oder nicht?
3. Benennt ihr eure Word-Dokumente systematisch?
4. Eigene Playlists oder vorgefertigte Playlists hören?
5. Essen auf dem Teller durchmischen oder nacheinader essen?
6. Seiten in Büchern mit Lesezeichen oder mit Eselsohr markieren – oder merkt ihr euch die Seite?
7. Den Papierrand vom Collegeblock abribbeln?
8. Lieber Fragen stellen oder gestellt bekommen?
9. Bücherregal sortieren oder nicht?
10. Spülmaschine systematisch einräumen oder so lassen, wie es sich ergeben hat?
Führt diese Liste fort, wie ihr wollt (wenn ihr wollt). Nutzt sie als Eisbrecher, um auf der nächsten Party ein Gespräch zu eröffnen. Philosophiert darüber. Aber bleibt nicht in eurer Schublade – auch, wenn sie vielleicht eure temporäre Komfortzone ist. Das ist Quatsch. So wie Psychotests. Und Entweder-Oder-Fragen.
Von Mona Gnan
...studiert Germanistik im Kulturvergleich und Geschichte. Sie schreibt seit 2021 für den ruprecht. Mona berichtet gerne über Kultur, die Welt und alle möglichen Diskurse. Eigentlich über alles, was die Gesellschaft gerade bewegt - oder bewegen sollte.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.