Datingshows versprechen Romantik: Wo Rosenregen nd Regieanweisungen aufeinandertreffen
Love Island war die Einstiegsdroge, weiter ging es mit Temptation Island, bei Are You The One und Ex on the Beach bin ich hängen geblieben. Was als ironisches Amüsement und mit Augenrollen anfing, ist längst ernsthaftes Fan-Dasein und das guilty pleasure zum wöchentlichen Gesprächsstoff in der Freundesgruppe geworden. Dating-Reality ist so erfolgreich wie nie zuvor. Jedes Jahr schießen zig neue Shows wie Pilze aus dem Boden, alte bekommen eine neue Staffel oder eine VIP-Version für bereits prominente Kandidat:innen und amerikanische Erfolgsformate werden nach Deutschland gebracht.
Die Umstände variieren, das Ziel bleibt gleich: Bei Dating Naked wird – wie der Name sagt – nackt gedatet, bei Love is Blind wird gedatet, ohne sich zu sehen (surprise!). Bei Ex on the Beach kann jederzeit der oder die Ex reinschneien und bei Dated and Related daten sich zum Glück keine Familienmitglieder, sondern Geschwisterpaare suchen gemeinsam in einer Villa nach einem:r Partner:in. Am Ende steht die große Liebe – und mit etwas Glück auch Tausende Euro Gewinn.
Eigentlich beobachten wir nur Max und Erika Mustermann bei der Partnersuche. Menschen, über die wir uns lustig machen, wenn sie vor einem Millionenpublikum wörtlich oder im übertragenen Sinne die Hosen runterlassen und die uns ähnlicher sind als wir zugeben möchten. Der Wunsch nach Liebe ist ein universeller, über den zu sprechen wir nicht müde werden. Kein Wunder, dass wir mit großen Augen vor den Bildschirmen sitzen, wenn unser Traumpaar nach drei Wochen Mexiko-, Griechenland- oder Spanien- Urlaub tatsächlich zusammenkommt und die neue Liebe zusätzlich mit 50.000 Euro besiegelt wird. Wenn die Realität doch nur so schön wäre… Aber Reality TV ist – wie der Name nicht sagt – in der Regel mehr gestellt als realitätsnah. Auch wenn unsere liebsten Dating-shows nicht geskriptet sind, spricht sie das nicht vom Inszenierungscharakter frei, durch den Fernsehen nahezu immer geprägt ist.
Während Spielfilme fiktionale Welten inszenieren, handelt es sich im Fall von Reality-TV um Inszenierungen von sozialen Arrangements. Ganz bestimmte Leute werden zu einem ganz bestimmten Zweck zusammengebracht, wodurch gewisse Situationen herbeigeführt werden, die im echten Leben so nie entstanden wären. „Performatives Realitätsfernsehen“ werden Shows genannt, in denen „normale“ Menschen agieren, zu Unterhaltungszwecken ihr Innerstes nach außen kehren und ihre Gefühle zu ihrem Kapital machen. Vor der Ausstrahlung wird von der Produktion aber gezielt und dramaturgisch nachgebessert und ein rosaroter Filter über die Show gelegt, sodass uns am Ende eine Real-Life „Romcom“ vorgesetzt wird. Dieser romantische Zeitvertreib kann sogar unser eigenes Leben beeinflussen. „Disney- fizierung der Liebe“ nennt der Paartherapeut Eric Hegmann die idealisierten Darstellungen von glücklichen Beziehungen. Wer auf eine Liebesgeschichte à la Arielle und Prinz Erik wartet, der wird enttäuscht.
Aber Ausnahmen bestätigen die Regel, und manchmal trifft Amors Pfeil die Richtigen. Wie im Fall von Julian und Stephi bei Love Island 2017, die die Zuschauenden den Glauben an die Liebe nicht verlieren lassen. Wer die Liebe nicht gefunden hat, darf sich nach der Teilnahme am Reality-Format immerhin „Reality-Sternchen“ schimpfen und wird mit diesem Titel vielleicht für RTLs neueste Promishow gecastet. Oder das Liebe-Finden hat so gut funktioniert, dass man gleich noch einmal will – auf Rudis Resterampe findet sich selbst für den letzten geltungsbedürftigen Single Platz, sofern er oder sie genügend Potenzial zum Verlieben mitbringt (aka vermeintliche Schönheitsideale wie aufgepumpte Körper und aufgespritzte Lippen). Die Fixierung auf die äußerliche Erscheinung hinterlässt einen unangenehmen Beigeschmack, als könne Liebe nur zwischen makellosen Schönheiten erblühen. Wenn die dritte Kandidatin in Folge erzählt, dass sie auf Südländer stehe, weiß ich wieder, warum ich anfangs die Augen verdreht habe. Am Ende des Tages ist und bleibt Liebe und die Sehnsucht nach ihr ein Dauerbrenner. Ich würde mit Sicherheit einschalten, wenn demnächst 20 Singles in einem Format namens „Liebe geht durch den Magen“ ihre Kochkünste beweisen müssten. Mark my words!
Von Eileen Taubert
...studiert Französisch und Germanistik. Seit 2022 schreibt sie für den ruprecht über die kleinen und großen Fragen des studentischen Alltags.