Der Tragödie zweiter Teil – Angst vor verloren gegangenen Leistungspunkten, Bewerbungen und Bachelorzeugnissen. Eine anonyme Quelle aus der Universitätsverwaltung berichtet: „Tatsächlich haben wir sehr viel Sorge für die nächsten Wochen und Monate“
Bereits vor mehreren Jahren entschied sich die Universität Heidelberg dazu, das neue Campus-Management-System Heico einzukaufen. Dadurch wollte man viele verschiedene Systeme ersetzen. Viele der Personen, die hierfür ursächlich zuständig waren, sind bereits nicht mehr in der Universitätsverwaltung tätig. Angeblich habe man Heico zu Beginn einfach seinen Lauf nehmen lassen, immer mit der Gewissheit, dass es am Ende eine gute Sache werden würde – doch dann geschah laut einer anonymen Quelle alles viel zu schnell.
Im Dezember 2022 wurde damit begonnen, Systeme mit allen Studierendendaten einzufrieren, um das neue System zu bestücken – „und dann ging tatsächlich erst einmal ein paar Monate so gut wie gar nichts“, berichtet eine Quelle aus der Universitätsverwaltung. Wenn jemand in dieser Zeit etwa einen Antrag auf Exmatrikulation stellte, musste dieser in der Verwaltung händisch erstellt werden. Das sei jedoch für eine größere Masse an Leuten nicht zu schaffen gewesen.
Diese selbst auferlegte mehrmonatige Handlungsunfähigkeit und Undurchsichtigkeit wäre der Quelle zufolge vermeidbar gewesen, hätte man sich bei dem Wechsel mehr Zeit eingeräumt. Bei der Umstellung im Dezember 2022 gehe es wohl aber auch um Gesichtswahrung, so die Quelle.
Seither ist in der Universitätsverwaltung jedoch viel geschehen. Verschiedene Stellen wurden gewechselt, teilweise wurden kommissarische Leitungen eingesetzt oder aber auch Leitungsstellen offengelassen. Angeblich habe sich niemand gefunden, um diese zu besetzen. Intern spekuliere man, dass dies der Fall sei, weil man sich bereits einen gewissen Ruf erarbeitet habe.
Es gebe außerdem das Gefühl, dass in der Verwaltung bereits seit längerer Zeit Stellen eingespart würden, wodurch sich in der intensiven Umstellungsphase für Mitarbeitende ungünstige Situationen ergeben hätten. Vor Jahren seien bedeutend mehr Leute vor Ort gewesen, berichtet man dem ruprecht. Die Infoportale seien beispielsweise als Folge chronisch unterbesetzt, was zu massivem Rückstand führe – zu Lasten der Studierenden.
Wie das URZ bereits letzte Ausgabe gegenüber dem ruprecht äußerte, brauche es nun einmal eine gewisse Zeit, bis sich ein solches neues System stabilisiere. Diese Zeit nun jedoch mit zu wenigen Arbeitskräften zu leisten, fügt die anonyme Quelle hinzu, stelle eine zusätzliche Herausforderung dar.
Studierende, die sich zum Sommersemester in Heidelberg beworben haben, sahen sich bereits mit dem neuen Bewerbungsportal auf Heico konfrontiert. Dieses Bewerbungsverfahren soll recht chaotisch verlaufen sein: Das Bewerbungsportal habe sich nahezu im Wochentakt geändert. Das heißt konkret, dass Personen, die sich im Januar bewarben, ein anderes Portal sahen als solche, die sich noch im Dezember für dasselbe Fach beworben hatten. Folglich mussten Unterlagen nachgefordert werden. Unsere Quelle aus der Universitätsverwaltung erklärt, dass dies zwar im Nachhinein so geregelt worden sei, dass niemand einen Nachteil daraus erfahren habe, jedoch durch viel manuellen Einsatz der sowieso schon unterbesetzten Verwaltung. Das ließe sich zwar im Sommer noch bewerkstelligen, wäre aber zum Wintersemester auf keinen Fall möglich.
Das zum Sommersemester geringere Bewerbungsaufkommen sei vermutlich auch die Motivation gewesen, weshalb man sich vor einem halben Jahr entschied, Heico an den Start gehen zu lassen. In der Konsequenz hätte man diesen Start jedoch um ein ganzes Jahr verschieben müssen, um die Probleme zu vermeiden, so die Kritik.
Von offizieller Seite der Universität teilt man dem ruprecht mit, das Projekt bewege sich im vorgesehenen zeitlichen Rahmen. „Für die Einführung eines Campus-Management-Systems in einer großen Voll-Universität ist ein genereller Zeitraum in Summe von fünf bis sechs Jahren normal“, erklärt Anja-Désirée Senz, Prorektorin für Studium und Lehre. Eine Umstellung auf eine neue Software stelle immer eine große Herausforderung und Mehraufwand dar, der neben täglichen operativen Aufgaben zu bewältigen sei. Ziel sei es, offene Stellen schnell und qualifiziert wieder zu besetzen. Dass man Stellen einsparen möchte oder bereits eingespart habe, wird verneint.
Man versuche stattdessen, die Abteilung Studierendenadministration durch zusätzliche Positionen zu verstärken, da hier ein expliziter Bedarf für Unterstützung bestehe. Außerdem teilt man mit, der Umstellungszeitpunkt sei sorgfältig gewählt worden. Da sich die bisherigen Perioden der Bewerbungsverfahren regelmäßig überschnitten haben, gebe es keinen anderen optimaleren Zeitpunkt. Bezüglich der Kommunikation mit Studierenden und Fächern wird auf monatliche Heico-Informationsveranstaltungen und das sogenannte Help-Desk zur Unterstützung verwiesen. Der große Zielaspekt bei Heico ist Harmonisierung. Doch man könne nicht über Wochen und Monate versuchen, das zu reparieren, was man über Jahre versäumt habe – kritisiert unsere Quelle. Den einen großen „Go-Live“ wird man wohl nie erleben, stattdessen wird es immer wieder einzelne Launches hin zu einem vollständig für Studierende nutzbaren System geben.
Es wird besser. Dies liegt sicherlich auch an der Motivation aller Mitarbeitenden am Projekt Heico. Aber die Mühlen mahlen langsam.
Von Emily Burkart
...studiert Politikwissenschaften und Soziologie an der Universität Heidelberg und schreibt seit Oktober 2022 für den ruprecht. Sie interessiert sich besonders für das aktuelle politische Geschehen, sowie für alles rund um das studentische Leben in Heidelberg.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.