Der Studierendenrat hat beschlossen, das Semesterticket zu kündigen. Ein Verkehrsreferent erklärt die Entscheidung
Ab dem Wintersemester 2023 gibt es kein Semesterticket mehr. Der Studierendenrat hat sich dazu entschieden, den Vertrag mit dem VRN zu kündigen. Bisher konnten Studierende werktags ab 19 Uhr sowie am Wochenende ganztägig mit dem Studierendenausweis den ÖPNV nutzen. Mit der Vertragskündigung entfällt auch diese Regelung ab dem 1. Oktober. Max Wipplinger ist Verkehrsreferent des Studierendenrats und erklärt, wie es zu dieser Entscheidung kam.
Mit der Einführung des Jugendtickets in Baden-Württemberg und des bundesweiten 49-Euro-Tickets sei es nicht mehr fair, von allen Studierenden einen Solidarbeitrag zu fordern, wenn nur ein Bruchteil davon profitiere, so Wipplinger. Auch nach mehrfachen Diskussionen mit dem VRN habe sich der Verkehrsverbund nicht dazu bereit erklärt, den Semesterticketbeitrag mit dem Deutschlandticket beziehungsweise dem Jugendticket zu verrechnen. Für das Verkehrsreferat war spätestens zu diesem Zeitpunkt klar: Das ist keine faire Lösung für alle Studierenden. Auch die Universitätsverwaltung habe sich daraufhin eingeschaltet, denn es sei rechtlich unzulässig, an einer solidarischen Lösung festzuhalten, wenn nur wenige einen Nutzen daraus ziehen. „Wir mussten kündigen“, so der Verkehrsreferent. Ursprünglich habe die Universität bereits Anfang des Jahres kündigen wollen.
Ein Meinungsbild bei den Fachschaften ergab den Wunsch, die Abend- und Wochenendregelung beizubehalten. Dafür müsste der VRN allerdings einen neuen Vertrag erstellen, denn diese Regelung war bisher vertraglich zusammen mit dem Semesterticket geregelt. Zudem habe der Verkehrsverbund die Bedingung gestellt, dass der Wunsch nach einer Abend- und Wochenendregelung ein gemeinschaftliches Anliegen sein muss. Aus diesem Grund haben Wipplinger und seine Mitstreiter:innen mit anderen Verkehrsreferent:innen der Universitäten und Hochschulen im Umkreis ein Kollektiv gebildet, das sich nun für eine Lösungsfindung einsetzt. Denn das Verkehrsreferat sehe die kulturelle Bedeutung dieser Regelung. „Es ist eine große Aufgabe, der wir uns die nächsten Wochen stellen werden“, sagt Wipplinger.
Auch wenn für das kommende Wintersemester die Vertragskündigung bereits durchgesetzt ist, besteht Hoffnung, für das Sommersemester 2024 eine Alternative zu finden. Bis dahin müsse das Verkehrsreferat allerdings noch mit der Universität abklären, ob ein erneuter Solidarbeitrag rechtlich überhaupt möglich ist.
Für betroffene Studierende stellt sich jetzt die Frage: Was nun? Alle, die älter als 27 Jahre sind und deswegen das Jugendticket Baden-Württemberg nicht nutzen dürfen, können bald das Anschluss-Semesterticket erwerben. Der VRN plant, dies noch für alle Studierenden zu öffnen, allerdings gibt es bisher keine näheren Informationen zum genauen Zeitpunkt der Umsetzung. Wer nicht die vollen sechs Monate im VRN-Bereich unterwegs ist, kann auf das Deutschlandticket zurückgreifen oder auch das Jugendticket für einen kürzeren Zeitraum erwerben.
Für diejenigen, die den ÖPNV selten nutzen, ist auch der E-Tarif des VRN eine Option. Damit kann sich jede:r per App ein- und auschecken, die Abrechnung erfolgt auf Basis der Luftlinie zwischen den jeweiligen Haltestellen.
Die gute Nachricht für alle anderen: Für die Rückmeldung, die bis zum 15. Juli erfolgt sein muss, müssen Studierende knapp 30 Euro weniger an die Universität überweisen. Da es sich bei dem solidarischen Semesterticketanteil um einen zweckgebundenen Beitrag handelt, kann dieser auch nicht ohne Weiteres für etwas anderes verwendet werden.
Für Studierende, die von der Abend- und Wochenendreglung Gebrauch machen, gibt es erst einmal keine Lösung. Katharina ist 20 und studiert seit letztem Wintersemester in Heidelberg. Sie hat kein Jugendticket Baden-Württemberg, weil sie es nicht braucht, wenn sie mit dem Fahrrad zur Uni fährt. „Ich komme nicht aus Baden-Württemberg, deswegen lohnt sich das Ticket für mich sonst nicht“, so die Studentin. Was sie ab Oktober machen wird, weiß sie noch nicht. „Ich kann natürlich weiter Fahrrad fahren, aber es ist etwas anderes, wenn ich nachts oder am Wochenende weiß, dass ich auch mit der Bahn nachhause komme.“ Fürs Erste bleibt abzuwarten, was in Zukunft aus der Sonderregelung wird.
Von Ayeneh Ebtehaj
...studiert Politikwissenschaft und Anglistik. Sie schreibt seit April 2023 für den ruprecht, am liebsten über Politik, Kultur und Themen, die Studis betreffen. Bis Juli 2023 leitete sie das Ressort Studentisches Leben.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.