In Momos Amphitheater: Eine Vorstellung der PH-Theatergruppe
„Jede Stunde ist eine einzigartige Blume, die einmal blüht und dann für immer vergeht.“ Um diese Botschaft geht es in der Theaterinszenierung von Michael Endes „Momo“, aufgeführt von der Theatergruppe der Pädagogischen Hochschule (PH). Bei Hochsommertemperaturen und bedrohlich grauem Wolkenhimmel versammelt sich eine Schar aufgeregter Menschen an einem Dienstagabend für die letzte Vorstellung.
Die Theaterbühne in der Alten PH ist wie ein rundes Amphitheater konzipiert. So wie das, in dem Momo lebt. Kreativ, aber nichts für schwache Muskeln, denn: Es gibt keine Rückenlehnen. Während alle Platz nehmen, wird in den Publikumsreihen immer wieder ein und dieselbe Frage gemurmelt: Wo ist bloß die Klimaanlage? Da es keine gibt, sind die Eintrittskarten schnell zu Fächern umfunktioniert. Eine wedelnde Menschenmasse wartet gespannt. Die Charaktere kommen aus allen Ecken hervor, es wird Ukulele gespielt, Teile des Publikums werden mit auf die Bühne gezogen. Irgendwann verteilen die Darsteller:innen Pizza an die ersten Reihen.
Schließlich tauchen die unheimlichen grauen Herren auf – Schauspielkunst und Kostüm sind so gut, dass man sich wirklich fürchten kann. Ohne große Mühe wird zwischen Atmosphären gewechselt: In der einen Szene lacht das Publikum noch über eine Puppe namens Booby Boy, die Momo beschäftigen soll, während die grauen Herren ihr Unwesen treiben, in der nächsten starren die Zuschauer:innen nur noch gebannt auf einen verzweifelten Agenten der Zeitsparkasse, der sich in Lebensgefahr gebracht hat. Die vierte Wand wird immer wieder auf amüsante Weise durchbrochen – der Höhepunkt wird erreicht, als Gigi das gesamte Publikum dazu bringt, in mehrstimmige Sprechchöre zu verfallen. Eine ausgefallene Staubsauger-Puppen-Konstruktion, welche die Schildkröte Kassiopeia darstellen soll, zieht auch die letzten Zuschauenden in Momos Welt, bis zum Ende. Es folgt anschließend eine Standing Ovation.
Bereits seit Oktober 2022 arbeitet das Ensemble der Schauspielgruppe an der Produktion, unter der Regie von Nick Humphrey und Lenni Ries. Auch in diesem Jahr werden wieder Proben für ein neues Stück beginnen. Sowohl Studierende der PH als auch der Universität können hier ihre Schauspielkünste unter Beweis stellen. Das Team entwickelte die Theaterfassung anhand von Improvisationen, für die passende Themen aus dem Buch selektiert wurden. Auch um Maske, Bühnenbild und PR-Arbeit hat sich die junge Gruppe selbst gekümmert – mit der Unterstützung von anleitenden Profis. Das Stück regt zum Nachdenken an: Muss jede Sekunde unseres Lebens wirklich produktiv sein? Was ist überhaupt mit Produktivität gemeint? Verlieren wir den Sinn nicht aus den Augen, wenn wir nur noch der Zeit hinterherrennen? Für Regisseur Nick Humphrey ist genau das das Besondere am Theater: Im Gegensatz zum Film kann man es sich nur einmal anschauen. Es ist jetzt da und dann weg. „Momo sagt, der Moment, das Hier und Jetzt, das ist alles, was wir haben. Wenn wir den festhalten wollen, verlieren wir etwas. Deswegen müssen wir genießen und loslassen.“
Von Ayeneh Ebtehaj
...studiert Politikwissenschaft und Anglistik. Sie schreibt seit April 2023 für den ruprecht, am liebsten über Politik, Kultur und Themen, die Studis betreffen. Bis Juli 2023 leitete sie das Ressort Studentisches Leben.