Im Zuge des Klimawandels wandern neue Krankheitserreger in Richtung Norden. Wer sind die furchteinflösenden Newcomer, und was kann man tun, um sich vor ihnen zu schützen?
Ebola, Affenpocken, Corona und HIV – ein Großteil der Krankheitserreger, die immer wieder durch die Medien gehen, haben ihren Ursprung in Tieren. Als Zoonosen werden Krankheiten bezeichnet, die sowohl Menschen als auch Tiere infizieren können und wechselseitig übertragbar sind. Solche Übertragungen treten vor allem bei evolutionär eng verwandten Arten auf. Ein Sprung der Erreger zwischen Säugetieren wie Fledermäusen und Menschen ist daher nicht ungewöhnlich. Die Übertragung kann direkt, also durch Schmierinfektionen, Bisse oder tierische Nahrungsmittel, oder aber durch Vektoren erfolgen. Vektoren sind zum Beispiel Mücken oder Zecken. Sie transportieren die Krankheitserreger zwischen verschiedenen Arten.
Habitatzerstörung, Klimawandel und Globalisierung zwingen Lebewesen zur Wahl zwischen Fliehen, Anpassen und Sterben. Tiere werden zunehmend vom Menschen bedrängt oder suchen Nahrung in der Nähe von Siedlungen. So kommen Erreger, die Zoonosen auslösen, öfter in Kontakt mit dem Menschen oder tauchen in anderen Regionen auf. Durch die wachsende Mobilität des Menschen werden Erreger außerdem leicht in der Welt verbreitet.
Selbst für die besten Klimaszenarien gilt: In vielen dicht besiedelten Gebieten werden künftig viele Krankheitserreger neue Wirte finden. Es ist zudem sehr gut möglich, dass Fledermäuse noch öfter mit Krankheitsausbrüchen für Schlagzeilen sorgen, da ihre Lebensräume vermutlich sehr stark verschoben werden. Zu diesem Ergebnis kamen Colin Carlson und Kolleg:innen durch Computersimulationen der Lebensraumverschiebung, die letztes Jahr veröffentlicht wurden und sich auf Säugetiere und ihre Viren konzentrierten.
Selbst bei Einhaltung des Pariser Klimaabkommens werden Zoonosen auftreten, weshalb vor allem gute Vorbereitung hilft. Wann und in welchen Gebieten Übertragungen auftreten werden, bleibt meist Spekulation. Ob Impfstoffe, Ausbau der Gesundheitssysteme oder frühzeitiges Testen – schnelles Handeln ist gefragt.
Trotzdem kann die Fähigkeit der schnellen Anpassung der Erreger zu Resistenzen gegenüber Therapeutika führen. Auf dieser Themenseite werden einige der neuen Krankheitserreger vorgestellt, auf die wir in Zukunft besonders achten sollten.
Von Lucie Bähre und Bastian Mucha
FSME
Es ist Sommer, das Leben findet wieder draußen statt. Die Neckarwiese wird zum Dreh- und Angelpunkt des sozialen Lebens. Abgesehen von den dreisten Gänsen scheint dort keine Gefahr zu lauern. Doch was man als Kindheitsproblem der Vergangenheit einordnet, als man noch durch Wald und Wiesen streifte, kann auch heute auf der Neckarwiese passieren: Ein Zeckenbiss.
Zecken lauern auf Grashalmen oder in Gebüschen und krallen sich bei Kontakt an Tier und Mensch fest, sie können also nicht auf den Wirt fallen oder springen. Sie halten sich zwischen 10 und 50 Zentimetern über dem Boden auf.
Sie sind auch bekanntermaßen Überträger von Krankheitserregern. In Deutschland ist die am häufigsten von ihnen übertragene Krankheit die Lyme-Borreliose, die jedoch in der Regel gut mit Antibiotika behandelt werden kann.
Die größere Gefahr lauert bei einer Infektion mit Frühsommer-Meningoenzephalitis, auch als FSME bekannt. Dabei handelt es sich um eine virusbedingte Hirnhaut- oder Gehirnentzündung. Infizierte leiden nach einer Inkubationszeit von ein bis zwei Wochen unter grippeähnlichen Beschwerden. Für FSME gibt es derzeit keine spezifische antivirale Therapie, deshalb konzentriert sich die Behandlung auf die Linderung der Symptome.
Diese umfassen Fieber, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, aber auch Bewusstseinsstörungen, Wahnvorstellungen und Orientierungslosigkeit. Es kann auch zu partiellen Lähmungserscheinungen kommen. Prävention spielt also eine maßgebliche Rolle. Die FSME-Impfung bietet einen effektiven Schutz vor der Erkrankung. Der volle Impfschutz ist nach drei Impfdosen erreicht und sollte alle fünf Jahre aufgefrischt werden. Doch da das FSME-Risikogebiet hauptsächlich Süddeutschland, und damit auch Heidelberg, umfasst, gibt es in anderen Regionen Deutschlands keine Impfempfehlung. Besonders zugezogene Studierende sollten daher einen Blick in den Impfpass werfen und sich beim nächsten Arztbesuch direkt den ersten Schuss der Impfung geben lassen.
Denn nach einer vollständigen Immunisierung ist das Einzige, worüber man sich an einem Tag auf der Neckarwiese ärgert, die Flecken auf der Kleidung vom Gänsekot und keine Hirnhautentzündung.
Von Heinrike Gilles
Malaria
Durch den Klimawandel könnte Malaria auch nach Deutschland kommen. Denn Anophelesmücken, auch Fieber- oder Malariamücken genannt, mögen warmfeuchtes Klima und in dessen Richtung entwickelt sich das deutsche Wetter. Sie können mit ihrem Stich die Krankheit von Mensch zu Mensch übertragen.
Die Malaria ist eine Infektionskrankheit, die typischerweise in den Tropen vorkommt. Der Malariaerreger ist ein winziger einzelliger Parasit: das Plasmodium. Verschiedene Plasmodium-Arten führen zu verschiedenen Formen von Malaria. Malaria tropica ist die gefährlichste Form und endet bei einer:m von zehn Infizierten tödlich.
Plasmodien leben in den Zellen und befallen zwei Wirte, um sich fortzupflanzen: den Menschen und die Überträgermücke. Im Laufe der Entwicklung ändern die Parasiten ständig ihre Form, wobei ihnen jeder der Wirte ein neues Lebensstadium ermöglicht.
Beim Stich nistet sich das Plasmodium zunächst in der Leber ein. Nach kurzer Vermehrungszeit dringt der Erreger ins Blut und in die roten Blutkörperchen ein. Dort vermehrt sich der Parasit weiter, wobei die roten Blutkörperchen platzen. Erst in diesem Stadium zeigen sich die ersten Krankheitssymptome.
Durch die Verwandlungstaktik der Plasmodien kann das Immunsystem nicht rechtzeitig reagieren, denn kaum haben sich Antikörper gegen eine Form des Parasiten gebildet, ändert er sein Aussehen. Lange Zeit gab es deshalb keinen wirksamen Impfstoff gegen Malaria. Seit Kurzem wird der Totimpfstoff RTS,S erfolgreich bei Kindern eingesetzt und reduziert das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs. Weitere Impfstoffe sind in der Entwicklung.
Von Lucie Bähre
Candidia auris
Die Medikamentenresistenz von Kranheitserregern hat die zweifelhafte Ehre, von der WHO als eine der zehn größten Gesundheitsgefahren aufgelistet zu werden. Neben Bakterien und Parasiten schützen sich auch immer mehr Pilze gegen unsere Medikamente. Der oft tödliche Hefepilz Candida auris wurde zwar erst 2009 entdeckt, doch ist er bezüglich Resistenzen schon jetzt ganz vorne dabei. Hefepilze sind einzellige, meist ungefährliche Lebewesen, die man beispielsweise beim Brauen von Bier einsetzt. Candida auris ist bei gesunden Menschen ebenfalls harmlos, kann aber durch Schmierinfektionen übertragen werden. Kritisch wird es, wenn das Immunsystem geschwächt ist.
Da Pilzzellen sich in einigen Bestandteilen stark von tierischen Zellen unterscheiden, können genau diese Besonderheiten von Medikamenten angegriffen werden. Echinocandine stören beispielsweise die Herstellung eines Zellwandbestandteils von Pilzen, lassen tierische Zellen aber unbeschadet. Durch Mutationen können aber manche Hefen die überlebenswichtigen Materialien auf leicht andere Art herstellen. Unsere Wirkstoffe helfen dann nicht mehr.
Bei Hefen sind diese Resistenzen aber eher selten. Candida auris stellt eine Ausnahme dar. Hinzu kommt, dass der Nachweis von Infektionen schwer ist. Nur durch eine Testpflicht bei Pilzinfektionen, die es in den USA schon gibt, können Verwechslungen ausgeschlossen werden. In Deutschland gibt es zwar auch Labore, die Tests durchführen, doch nicht immer wird dieses Angebot genutzt. Candida auris ist schwierig zu behandeln. Bei jeder Pilzinfektion muss also klar sein, worum es sich handelt, und welche Resistenzen vorliegen. Noch besteht kein Grund zur Sorge, aber eine zügige Einführung einer Pilz-Testpflicht in Deutschland könnte die weitere Ausbreitung verhindern.
Von Bastian Mucha
...studiert Politikwissenschaften und Germanistik im Kulturvergleich. Sie kann sich für alle Themengebiete begeistern, interessiert sich aber am meisten für den gesellschaftspolitischen Bereich. Seit 2021 schreibt sie für den ruprecht und leitet seit 2022 Seite 1-3.
...studiert irgendwas mit Naturwissenschaften (Molekulare Biotechnologie) und schreibt seit Sommersemester 2023 für den ruprecht. Neben der Leitung der Bildredaktion ist er vor allem für Illustrationen, Wissenschaft und Satire immer zu haben.
...studiert molekulare Biotechnologie und ist seit dem Sommersemester 2023 beim ruprecht. Meistens schreibt sie wissenschaftliche Artikel oder über das studentische Leben. Seit November 2023 kümmert sie sich außerdem um die Website und den Instagram-Kanal des ruprecht.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.