Athene – Göttin der Weisheit, Kämpferin mit Strategie und Erfinderin im Handwerk: Mit Unterbrechung wacht sie seit fast hundert Jahren über Studierende und Dozierende in Heidelberg, die in den weißen Block der gar nicht mehr so neuen Neuen Universität im Herzen der Altstadt ein und aus gehen. Unter ihr ziert die Widmung „Dem lebendigen Geist“ die Fassade. Diese wurde von Friedrich Gundolf, dem in Heidelberg lehrenden Germanisten, vorgeschlagen und 1931 angebracht.
Wie so vieles blieb auch die Fassade der Neuen Universität von der faschistischen Entwicklung der kommenden Jahre nicht verschont: 1935 ersetzte der Reichsadler die Athene-Skulptur und widmete das Gebäude „Dem deutschen Geist“ um.
Nach Kriegsende wurde das ursprüngliche Erscheinungsbild hergestellt und die Universität verpflichtete sich in ihrer Satzung ab dem Wintersemester 1945/46 „dem lebendigen Geist der Wahrheit, Gerechtigkeit und Humanität zu dienen.“
Nun wurde zu Beginn dieses Semesters unsere Göttin der Weisheit unter dem Schlachtruf des Klimaaktivismus gemeinsam mit der Widmung kurzerhand umlackiert. In grellem Orange blendete sie von Kopf bis Fuß, das Wort „lebendigen“ besonders stark getroffen und sogar das „Herzlich Willkommen“-Banner für unsere neuesten Kommiliton:innen blieb nicht unversehrt. Besonders viel Aufmerksamkeit sollte die Aktion generieren – aber wieder einmal diskutierte man mehr über den Sinn der Sachbeschädigung als über den kläglichen Klimakampf.
Reden wir einmal nicht darüber, welche Aussage in Zeiten von auflebendem Rechtspopulismus mitschwingt, wenn eine bedeutungsschwere Widmung wie die des lebendigen Geistes unter Farbe erstickt wird. Wenden wir uns an dieser Stelle Athene zu. Anders als dem Kriegsgott Ares durstet es Athene nicht nach blindem Krieg um jeden Preis: Sie führt ihre Kämpfe mit strategischem Bedacht.
Apropos: Ein herzliches Willkommen an unserer Universität, liebe Erstsemester:innen – mögen die zukünftigen Farbflecken an eurer Kleidung von eurem orangefarbenen Textmarker stammen!
Von Daniela Rohleder
...studiert Editionswissenschaft & Textkritik im Master und ist im Herbst 2021 beim ruprecht eingestiegen. Zwischen Oktober 2022 und November 2023 leitete sie das Ressort „Studentisches Leben“. Auch thematisch widmet sie ihr Zeichenlimit gerne dem studentischen Blick auf die Umwelt – wobei sie einiges über Radiosender, Feierkultur und Elternschaft gelernt hat.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.