Davidsterne an Wohnhäuser geschmiert. Hassparolen gesungen. Versuchter Brandanschlag auf eine Synagoge. Verfolgt man heute auch nur halbherzig die Nachrichten, erscheinen vergangen gehoffte Gräueltaten gar nicht mehr so vergangen. Dabei sollten doch die Folgen von Krisen, Kriegen und Inflation der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts bei uns allen präsent sein. Auch im heilen Heidelberg sind vergangen geglaubte Warnungen aus alten Zeiten jüngste Stadtgeschichte – die RNZ berichtete mehrfach.
In Folge der freien Meinungsäußerungen des Stadtrats und „Heidelberg in Bewegung“-Parteimitglieds Waseem Butt reagierte der AfD-Funktionär Albert Maul mit einem unangekündigten Besuch und Beleidigungen. Erst nachdem Butt den Einschüchterungsversuch öffentlich machte und sämtliche Fraktionen des Gemeinderats sich mit ihm solidarisierten (mit Ausnahme der AfD), reagierte der städtisch geförderte Stadtteilverein Neuenheim e.V. mit dem Ausschluss von Maul.
Seit mindestens* 2016 wählte der Verein Maul in den erweiterten Vorstand, tolerierte und schützte ihn. Kritik wies der Vorstand laufend zurück – Ansichten und Parteizugehörigkeiten der Mitglieder spielten keine Rolle, so die allgemeine Reaktion des Vorstands.
Diese Position ist solange nachvollziehbar, wie die Ansichten der Mitglieder nicht demokratie- oder menschenfeindlich sind. Gerade ein Verein, der den Wahlspruch „Traditionen pflegen, die Zukunft des Stadtteils aktiv mitgestalten“ trägt, darf auf dem rechten Auge nicht blind sein.
Immer mehr Deutsche teilen laut der „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung rechtsextreme Einstellungen – der Anteil habe sich im Vergleich zu den Vorjahren verdreifacht. Durch den exponentiell wachsenden Rechtsruck in der Gesellschaft ergreifen Ansichten und Parteien Mehrheit und Macht, die antidemokratisch und menschenfeindlich sind. So auch die AfD, die als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird.
Durch die jahrelange Akzeptanz – trotz Protesten aus eigenen Reihen und zahlreichen Vereinsaustritten – hat der Vorstand den Rücken des AfD-Mitglieds gestärkt. Wegen dieser Rückendeckung fühlten Maul und dessen Begleitung sich sicher genug, um einen demokratischen Politiker im Namen des Stadtteilvereins und der AfD für dessen freie Meinungsäußerung zu bedrohen.
Der Einschüchterungsversuch zeigt einmal mehr, was wir alle im Geschichtsunterricht von Herrn Müller Jahr für Jahr durchexerziert hatten: Rechte Gruppen wie die NSDAP (oder die AfD) erstarken durch kollektives Wegsehen. Mit jedem Wort und jeder Tat, die wir stillschweigend tolerieren, unterstützen wir ein Auferstehen von Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und generellem Hass.
Der Fall beweist zudem, wie einfach die AfD in städtische Strukturen eindringt. Die fatale Selbstsicherheit, mit der rechte Gruppen immer öfter auftreten, ist ein unmissverständlicher Anlass zur Sorge für eine:n jede:n von uns. Umso wichtiger ist es, jetzt den Kopf aus dem Sand zu ziehen und menschenfeindlichen Parteien und deren Sympathisant:innen zu zeigen: Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht.
Mit dem Ausschluss von Maul in allerletzter Sekunde hat der Vorstand sich selbst einen Persilschein ausgestellt: In der aktuellen Ausgabe der vom Verein herausgegebenen Zeitschrift** Neuenheimer Nachrichten (Das Titelbild zeigt übrigens ein Faultier – ist das deren wortkarge Selbstkritik?) wird die Neuwahl des Vorstands im Juli zwar seitenlang thematisiert, Maul und dessen außerordentlicher Ausschluss aus dem Vorstand jedoch mit keinem Wort erwähnt.
Für dieses Verhalten verdient der Vorstand keinen Applaus. Die nötige kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten bleibt er schuldig – was den Vorstand im Gesamten untragbar macht.
Ein Kommentar von Daniela Rohleder
18. Juli: Der Stadtteilverein Neuenheim e.V. wählt zum wiederholten Mal den AfD-Funktionär Albert Maul in den erweiterten Vorstand.
20. September: In der RNZ erscheint ein Interview, in dem Stadtrat Waseem Butt die Wahl des Vereins kritisiert
25. September: Maul sucht in Begleitung eines weiteren Mannes Butt bei seinem Lebensmittelgeschäft in der Weststadt auf, wo er ein Streitgespräch provoziert. Er soll auf Anfrage entgegnet haben, dass er als Vorstandsmitglied des Stadtteilvereins Neuenheim und als AfD-ler gekommen sei. Zeugen und eine Videoaufnahme dokumentieren diesen Vorfall. Butt holt rechtliche Unterstützung ein.
9. Oktober: Die RNZ berichtet von den Geschehnissen des 25. Septembers. Sämtliche Fraktionen des Gemeinderats solidarisieren sich mit Butt – mit Ausnahme der AfD. In einer Sondersitzung am Abend schließt der Vorstand Maul als Konsequenz aus dem Verein aus
RNZ: ASC Neuenheim tritt nach AfD-Mann-Wahl aus Stadtteilverein aus
RNZ: Stadtrat Butt sieht Einschüchterungsversuch durch Neuenheimer AfD-Mann
RNZ: Bestürzung nach AfD-Besuch bei Waseem Butt
RNZ: Stadtteilverein Neuenheim wirft AfD-Mann raus
*Anmerkung der Redaktion: Es wurde „mindestens“ eingefügt. Quelle: https://web.archive.org/web/20160324174229/http://stadtteilverein-neuenheim.de/vorstand.html
**Anmerkung der Redaktion: In unserer Printausgabe stand an dieser Stelle „Mitgliederzeitschrift“. Bei den Neuenheimer Nachrichten handelt es sich um eine vom Verein herausgegebene Zeitschrift, was wir in der Onlineversion des Textes nachträglich geändert haben.
...studiert Editionswissenschaft & Textkritik im Master und ist im Herbst 2021 beim ruprecht eingestiegen. Zwischen Oktober 2022 und November 2023 leitete sie das Ressort „Studentisches Leben“. Auch thematisch widmet sie ihr Zeichenlimit gerne dem studentischen Blick auf die Umwelt – wobei sie einiges über Radiosender, Feierkultur und Elternschaft gelernt hat.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.
Nachfolgende Mail hatten wir der Redaktion rechtzeitig (!) zugesandt, da der Printartikel doch etliche Fehler aufweist und um Berücksichtigung in der online-Ausgabe gebeten. Anscheinend hat man aber seitens der Redaktion des Ruprecht kein Interesse daran, Aussagen, die fehlerhaft sind, zu korrigieren. Gute journalistische Arbeit geht anders!
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Wir – das Redaktionsteam von den Neuenheimer Nachrichten – sind mit der Beschreibung von unserer Zeitschrift und unserer Berichterstattung im Heft 78 (Oktober/November 2023) im Kommentar von Daniela Rohleder („Albert mault“) Ruprecht Nr. 205 (November 2023) nicht einverstanden und möchten deswegen um eine Richtigstellung in der Online-Ausgabe des Ruprecht bitten.
Wie Ruprecht sind die Neuenheimer Nachrichten keine Tageszeitung (und übrigens sind sie auch keine Mitgliederzeitschrift). Sie erscheinen alle zwei Monate und gehen Wochen vor dem Erscheinungsdatum in Druck. Redaktionsschluss für das Heft Oktober/November war der 31. August (wie im Impressum vom Heft August/September steht), und am 25. September war die Oktober/November-Ausgabe bereits verteilt. Eine Mitteilung über den Ausschluss des erwähnten Mitglieds konnte also noch gar nicht in den Neuenheimer Nachrichten erfolgen. Diese Tatsachen hätten wir Ihnen gerne erklärt, wenn Sie Kontakt zu uns aufgenommen hätten.
Im Sinne der Fairness und auch der akkuraten Berichterstattung Ihrerseits wäre es angebracht gewesen, uns als Redaktionsteam der Neuenheimer Nachrichten vor der Veröffentlichung des Kommentars zu kontaktieren.
Leider ist die Darstellung des Ablaufs der Wahl des Beirats bis hin zum Ausschlussverfahren in Ihrem Kommentar sehr vereinfacht und so irreführend. Auch hier hätte eine kurze Bitte um Stellungnahme vom Vorstand des Stadtteilvereins Klarheit gebracht.
Wir streben eine gute, verlässliche, sorgfältig recherchierte Berichterstattung an. Das heißt, wir veröffentlichen lieber keinen Bericht, wenn wir die relevanten Fakten nicht vor Redaktionsschluss in Kenntnis bringen oder die Geschehnisse akkurat darstellen können. Das Gleiche wünschen wir uns auch von Ruprecht.
Sehr geehrte Redaktion der Neuenheimer Nachrichten / des Stadtteilverein Neuenheims,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Ihre E-Mail haben wir am Montag, dem 13.11.2023 erhalten und sie seitdem diskutiert. Auch wir arbeiten ehrenamtlich und freuen uns über Ihre Geduld. Zu Ihrem Kommentar:
Wir bedanken uns für Ihren Hinweis, dass unsere Autorin die Neuenheimer Nachrichten ursprünglich als „Mitgliederzeitschrift“ bezeichnet hatte. Wir haben Ihren Korrekturwunsch in der Onlineversion umgesetzt und vor Veröffentlichung auf der Website an der betreffenden Stelle „Mitgliederzeitschrift“ durch „vom Verein herausgegebene Zeitschrift“ ersetzt. Diese nachträgliche Änderung haben wir, wie im journalistischen Bereich üblich, der Transparenz wegen mit einer Anmerkung der Redaktion am Ende des Textes kenntlich gemacht.
Andere Fehler im Text sind nicht vorhanden. Der Kommentar bezieht sich auf die Berichterstattung, die in Bezug auf Ihren Verein in den letzten Monaten zu verfolgen war (die erneute Wahl von Albert Maul in den erweiterten Vorstand, die Kritik im Sommerinterview durch Stadtrat Waseem Butt, Herr Mauls Konfrontation mit Herrn Butt, die Solidarisierung durch die Fraktionen des Gemeinderats mit Herrn Butt und den folgenden Ausschluss Herrn Mauls aus Ihrem Verein). Unsere Autorin kritisiert in ihrem Kommentar den Vorstand und dessen Verhalten der letzten Jahre; vor allem seit Juli dieses Jahres. Ihr Kommentar unter diesem Beitrag konzentriert sich auf den vorletzten Absatz dieses Artikels, in dem es um den Umgang des Vereins mit der Kommunikation über das eigene Verhalten geht. Das Folgende konzentriert sich und expliziert somit diesen einen Absatz zum besseren Verständnis:
Dass Sie zu Ihrem Redaktionsschluss der Printausgabe am 31. August noch nichts vom Ausschluss Herrn Mauls wussten, wurde im Kommentar nicht angezweifelt. Kritisiert wurde, dass die Vorstellung von Herrn Maul im erweiterten Vorstand aus der neueren, und somit aktuellen, digitalen Ausgabe der Neuenheimer Nachrichten Nr. 78 (https://stadtteilverein-neuenheim.de/allgemein/neuenheimer-nachrichten-nr-78/ ) nicht erscheint. Sie haben die nachträglich geänderte Ausgabe erst am 10. Oktober nach dem Ausschluss Herrn Mauls aus Ihrem Verein auf Ihrer Website und Facebook hochgeladen. Sie haben diese Vorstellung Mauls nachträglich gelöscht – ohne das kenntlich zu machen oder bisher selbstkritisch zu reflektieren. An der nun leeren Stelle auf der betreffenden Seite hätte eine kurze Anmerkung, dass nachträglich ein Mitglied aus dem Vorstand an dieser Stelle herausgestrichen wurde, Platz gehabt und für nötige Transparenz gesorgt. Ohne eine solche Anmerkung der nachträglichen Änderung sieht es schließlich so aus, als wäre Herr Maul bei der Wahl im Sommer nicht erneut in Ihren erweiterten Vorstand gewählt worden – womit Sie seine Wahl und den Ausschluss aus Ihrem Verein verschleiern. Da der kommentierte Vorfall schon über einen Monat her war und bis dato noch keine Erklärung Ihrerseits veröffentlicht wurde, empfindet unsere Autorin es als umso wichtiger, dieses Verhalten – vor dem Hintergrund, was sich zwischen Juli und Oktober in Heidelberg abgespielt hat – zu kritisieren.
In einem objektiven Bericht lässt man alle Seiten wertungsfrei zu Wort kommen; bei einem Kommentar handelt es sich um einen subjektiven Meinungstext. Die Eigenheiten dieser journalistischen Textsorte können Sie hier (https://wortwuchs.net/kommentar/ ) nachlesen. Bei diesem Kommentar kommt schließlich nur unsere Autorin zu Wort. Sie hat sich bei der Recherche zur Meinungsbildung unter anderem auf die Berichte der Rhein-Neckar-Zeitung und Ihre Website, Ihre Social-Media-Kanäle und Ihre Zeitschrift gestützt. Viele Studierende leisten sich kein RNZ-Abonnement und haben die Geschehnisse nicht mitbekommen. Daher fasste unsere Autorin die Eckpunkte für unsere Leser:innenschaft in aller Kürze zusammen, um die Problematik der im Kommentar kritisierten Situation verständlicher zu gestalten. Falls in der zeitlichen Aufzählung der Geschehnisse etwas Wichtiges fehlen sollte, so ergänzen wir dies nach vorheriger Prüfung gerne auf unserer Website.
Sie schreiben in Ihrem Kommentar: „Wir streben eine gute, verlässliche, sorgfältig recherchierte Berichterstattung an. Das heißt, wir veröffentlichen lieber keinen Bericht, wenn wir die relevanten Fakten nicht vor Redaktionsschluss in Kenntnis bringen oder die Geschehnisse akkurat darstellen können.“ In diesem Sinne würden wir uns sehr freuen, wenn Sie oder Ihr Vereinsvorstand in naher Zukunft in Form einer offiziellen Klärung Ihre Sicht auf die Geschehnisse der letzten Monate reflektieren.
Wie eingangs erwähnt: Auch wir arbeiten ehrenamtlich. Wir halten in regelmäßigen Abständen Workshops zum Pressekodex ab und bemühen uns beim ruprecht in der Tat um eine saubere journalistische Praxis.
Wir hoffen, dass Sie die Kritik unserer Autorin nun besser einordnen können.
Freundliche Grüße
Ihre ruprecht Redaktion
Sehr geehrtes Redaktionsteam, danke für den Hinweis bzgl. unserer Onlineausgabe, die am 10.10. ins Netz gestellt wurde. Unser Layouter hat hier im guten Willen die Vorstandsliste auf den neuesten Stand gebracht, was er nicht hätte tun dürfen. Wir sind keine aktuelle Onlinezeitung, spätere Ereignisse werden nicht nachträglich kommentiert oder verändert. Sorry, dass wir Ihnen hier etwas unterstellt haben, was wohl nicht zutrifft, da Sie nur die Netzversion kennen. Lesen Sie unsere neue Ausgabe Nr. 79, die kommende Woche herauskommen wird. Beste Grüße!