Deutschland rückt nach rechts. Die sogenannte Alternative überzeugt neue junge Wähler:innen. Wie können wir damit umgehen?
Männlich, mittelalt, ungebildet, rechtsradikal, ostdeutsch. Das ist zumindest das Klischee, das den meisten wohl vorschwebt, wenn sie sich die Anhänger der rechtsradikalen Alternative für Deutschland vorstellen. Spätestens aber, seitdem die AfD aus beiden vergangenen Landtagswahlen als zweit- beziehungsweise drittstärkste Partei hervorgegangen ist, ist klar, dass diese Annahme nicht mehr zutrift.
Zustimmungswerte von bis zu 20 Prozent bei beiden Wahlen zeigen: Die AfD ist längst in der Mitte der Bevölkerung angekommen. So ist die Partei inzwischen auch für jüngere Menschen wählbar – eine Generation, die eigentlich geprägt sein sollte von Klimaaktivismus, Diversität, dem Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Ein Ausdruck einer neuen Form politischer Korrektheit: die Gen Z.
Diesen Trend belegen nicht nur die jüngsten Wahlergebnisse. Auch bei den Juniorwahlen – einer Art Planspiel, das nicht in die Wahlergebnisse einfließt – erhält die AfD viel Zuspruch. Hier wird sie sowohl in Bayern als auch in Hessen mit rund 15 Prozent zweitstärkste Partei. In einigen Landkreisen sind die Zahlen sogar noch höher: So stimmen in Freyung-Grafenau ganze 37 Prozent für die AfD. Eine Entwicklung und Radikalisierung, die zunächst fast unbemerkt vonstattenging, jetzt jedoch nicht mehr zu ignorieren ist. Politikwissenschaftler Reimut Zohlnhöfer, Dozent am Institut für Politische Wissenschaft in Heidelberg, erklärt die Folgen von der Entfremdung vom politischen System, die sich bei vielen Wähler:innen der AfD zeigen, folgendermaßen: „Menschen fühlen sich ausgegrenzt, wenn ihre Meinungen nicht repräsentiert sind. Wenn Sie eine Meinung haben, die kaum durch die Medien thematisiert und – sofern das doch der Fall ist – nur als unmoralisch oder Ähnliches bezeichnet wird, dann fühlen Sie sich ausgegrenzt.“
Dafür argumentiert Zohlnhöfer auf der Basis seiner bisherigen, noch nicht abgeschlossenen Forschungen: „Diese Ausgrenzungserfahrung, die ja zunächst eine subjektive ist, kann dazu beitragen, dass Menschen Protestparteien wählen“, erklärt er im Gespräch mit dem ruprecht. Das beschriebene Bild des alten, männlichen, radikalen AfD-Wählers sei also nicht nur falsch, sondern kontraproduktiv. Längst sind auch Akademiker:innen und eben auch Jugendliche Anhänger:innen der Partei. Es ist also sinnvoller, sich von dem Klischee zu verabschieden, um ein weiteres Erstarken der AfD zu verhindern. Zusätzlich würde es helfen, einen zielführenden Diskurs und eine bedachte, sachliche Argumentation an Stelle eines verständnislosen Umgangs zu setzen. Hass kann man schließlich schwer mit Hass bekämpfen.
„Das heißt nicht, dass Sie jede Position, sei sie auch rassistisch oder menschenverachtend, respektieren sollen, ganz bestimmt nicht. Und natürlich müssen Sie nicht plötzlich AfD-Positionen vertreten oder für richtig halten. Aber wir müssen akzeptieren, dass es Personen gibt, die diese Überzeugungen haben, und politische Gegner:innen oder Menschen mit sehr unterschiedlichen Meinungen müssen sich wechselseitig als legitime Vertreterinnen und Vertreter im Meinungsstreit respektieren“, empfiehlt der Politikwissenschaftler. „Wenn es zum Beispiel um die Frage geht, ob die EU zu viele Kompetenzen hat, muss ich die Meinungen von AfD-Wählern nicht teilen, kann mich aber trotzdem auf eine Diskussion einlassen. Das Gleiche gilt für Migration und andere Themen“, so Zohlnhöfer.
Er betont auch, dass zumindest ein Teil der 20 Prozent, die die AfD wählen, Menschen seien, die sich von den herkömmlichen Parteien nicht gehört fühlen und die man besonders durch Diskurs statt extreme Ausschließung erreichen und im besten Fall zurückholen könne.
Der Versuch, die AfD durch Ignorieren und Ausgrenzen zu schwächen, ist erkennbar gescheitert. Wir sollten also unsere Argumentation verändern und nichts unversucht lassen, um jene Menschen zurückzuholen, die wir durch Frustration verloren haben. Das stellt insbesondere Universitäten vor eine besondere Verantwortung, denn es braucht kluge Wege, um den vermeintlich einfachen Schwarz-Weiß-Lösungen etwas entgegenzusetzen.
Hierbei liegt es also in unser aller Verantwortung, mit denjenigen AfD-Anhänger:innen, die noch gesprächsbereit sind und keine rassistischen, antisemitischen oder vergleichbaren Motive für ihre Wahl hegen, den Diskurs zu suchen. Denn wenn wir Menschen für dumm und unmoralisch erklären, schaffen wir keine Basis für Kommunikation. Nur im Dialog können wir gemeinsame Lösungen finden.
Von Nicola van Randenborgh und Johannes Pupic
Nicola van Randenborgh studiert Philosophie & VWL und schreibt seit dem Wintersemester 23/24 für den ruprecht - Und das am liebsten über das, was sie oder die Welt eben gerade bewegt.
...studiert im Global History im Master of Arts und ist seit Oktober 2023 beim ruprecht. Er interessiert sich sowohl für (stadt-)historische als auch gesellschaftliche Themen. Wenn er nicht gerade über seinen nächsten ruprecht-Artikel nachdenkt, unterstützt er die Bildredaktion.