Ein Bericht vom Tripelleben als Musiker, Student und Redakteur– warum man trotzdem dabei bleibt
Seit sieben Jahren begebe ich mich jede Woche zur Keplerstraße 87 – mal zu Fuß, mal mit dem Fahrrad, mal mit dem Bus. So wie die Verkehrsmittel schwankt auch der Wille, den Weg in das Gebäude auf sich zu nehmen. Dabei erwartet mich am Ziel immer eine gute Zeit. Die Rede ist von der Bigband, in der ich seit Anfang des Studiums mitspiele. Nachdem ich an der Universität nur das Uni-Orchester kannte und dort am Vorspielen scheiterte – das endgültige Ende meiner, zugegebenermaßen kurzen, Karriere als klassischer Posaunist – schaute ich mich nach etwas um, was meiner Neigung zum Jazz eher entsprach.
An der Uni gab es da keine passende Adresse und bei den Jamsessions im Cave 54 fühlte ich mich als Zuschauer besser aufgehoben. Ich schrieb also eine E-Mail an die PH-Bigband. Der Bigband-Hiwi schickte mir eine freundliche Nachricht, bei der Probe vorbeizuschauen – ohne Vorspiel, einfach so.
Und so machte ich mich zum ersten Mal auf den Weg in die Keplerstraße. Was folgte, war eine Offenbarung. Nicht nur lernte ich einen engagierten Bigbandleiter kennen, der auch selbst komponierte, sondern wurde ich auch in eine studentische Gemeinschaft aufgenommen, die trotz hoher personeller Fluktuation konstant einen Raum zum Musikmachen und Kennenlernen bot.
Motivation zu finden, ist nicht immer einfach, aber die Arbeit lohnt sich
Ich war mit dem Ziel dorthin gekommen, einfach Musik zu machen, aber ich knüpfte Freundschaften und wurde dadurch Teil von anderen Heidelberger Bands und Musikprojekten. Ich erinnere mich gerne an die Elektroswingpartys, wo wir als Bigband die Studis in der Mehrzweckhalle der PH zum Tanzen brachten, an die Weihnachtskonzerte, in denen wir Weihnachtszauber schufen, und an die vielen Probenwochenenden, an denen man die Mitmusiker:innen auch außermusikalisch besser kennenlernte. Nun bin ich im letzten Semester und kann die vielen Abende gar nicht zählen, an denen ich mich in die Keplerstraße begab.
Es war und ist nicht immer einfach, sich die Motivation zu erhalten – insbesondere im nassen Winter, wo man gerne mit einem Tee und Netflix zuhause bleibt. Schließlich muss man nicht nur zu den Proben kommen, damit man gemeinsam ein gutes Konzert spielt: Man muss zuhause üben, zu den Probenwochenenden und Extraproben kommen, zusätzliche Auftritte bei offiziellen Anlässen der PH spielen. Und das alles, ohne dass man es im Lebenslauf angeben könnte. Wenn dann noch andere Bands und Musikprojekte hinzukommen, zahlreiche ruprecht-Artikel geschrieben werden müssen und man ganz nebenbei auch noch studiert, kann das einen übermannen.
So schreibe ich für meine eigene Jazz-Combo Eigenkompositionen, arrangiere Stücke, organisiere Auftritte und Proben, erinnere an Terminabstimmungen und überlege mir Setlists. Meist steckt hinter einer Band genauso viel organisatorische wie musikalische Arbeit. Ist man in beides involviert, wird das mitunter zur Belastung. Vergleichbar ist das mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit, nur meist ohne offizielle Anerkennung, da die meisten Bands nicht als Vereine organisiert sind, sondern informell existieren.
Also warum macht man das eigentlich? Zum einen macht es Spaß. Aber die Proben bestehen nicht nur aus fokussierter Arbeit am Konzert-Programm, sondern sind Ort der Entspannung, der Heiterkeit – eine musikalische Insel in der Keplerstraße, wo der Alltag aufhört.
Ein Erfahrungsbericht von Simon Stewner
...studiert im Global History im Master of Arts und ist seit Oktober 2023 beim ruprecht. Er interessiert sich sowohl für (stadt-)historische als auch gesellschaftliche Themen. Wenn er nicht gerade über seinen nächsten ruprecht-Artikel nachdenkt, unterstützt er die Bildredaktion.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.