Trinken, Schlagen, Farbentragen – es gibt viele Vorurteile über Burschenschaften. Doch woher kommen diese Klischees und was ist eigentlich der Unterschiedzwischen Burschenschaften und Verbindungen?
Heidelberg ist bekannt für seine Burschenschaften. Die meisten können mindestens auf eine Villa in der Altstadt zeigen, in der schlagende Jungburschen hausen. Denn wenn von „Burschis“ die Rede ist, hat jede:r eine kontroverse Geschichte zu erzählen. Die Assoziationen reichen von elitären Veranstaltungen über Rauschtrinken mit hauseigenen Traditionen bis hin zur Faszination über langjährige Freundschaften und die finanzielle Unterstützung. Doch es fallen auch immer wieder dieselben Schlagworte: frauenfeindlich, konservativ, nationalistisch, radikal, rassistisch. Als Freundin eines Burschenschaftlers das Abendessen der Männer vom Balkon aus zu betrachten, gehört bei einigen zum Alltag.
Doch was steckt hinter den jungen Männern in den alten Herrenhäusern und Jugendstilvillen? Verspricht dir der Eintritt in eine Burschenschaft wirklich ein aufregendes Studentenleben und Rückhalt oder bindet er dich lebenslang an Tugenden und Normen, die nicht mehr zeitgemäß erscheinen? Die erste Burschenschaft, die „Urburschenschaft“ wurde bereits 1815 in Jena gegründet. Ihr Zusammenschluss setzte sich damals sowohl die Befreiung aus der autoritären Führung als auch die nationale Einheit der Deutschen zum Ziel. Viele der späteren Burschenschaftler nahmen freiwillig an den Befreiungskriegen gegen Napoleon teil und widersetzten sich den Beschlüssen des Wiener Kongresses, der eine Zersplitterung Deutschlands in 38 Teilstaaten festgeschrieben hatte. Schon im frühen 19. Jahrhundert war die burschenschaftliche Bewegung von einem Spannungsfeld zwischen völkischem Nationalismus und Liberalismus geprägt. Trotzdem gelang es den Burschenschaften 1881, den Dachverband „Allgemeiner Deputierten-Convent“ zu gründen, der 1902 in „Deutsche Burschenschaft“ umbenannt wurde. In den folgenden Jahren verstärkten sich die nationalen Bestrebungen; so traten viele Burschenschaften früh der NSDAP und dem NS-Studentenbund bei.
2010 traten über 50 Burschenschaften aus dem Dachverband aus
Nach der Kapitulation Deutschlands verboten die Alliierten die Wiederbelebung nationalistischer studentischer Organisationen. Unter Tarnbegriffen wie „Kneipgesellschaft“ oder „Freundschaftsbund“ schlossen sich viele Burschenschaften in den folgenden Jahren wieder zusammen und benannten sich nach der Gründung der Bundesrepublik wieder in Burschenschaften um. Auf den Beschluss des Dachverbandes 2010, dass ein Bewerber „Deutscher“ sein müsse, wofür „die Abstammung von Angehörigen des deutschen Volkes“ maßgeblich sei, folgte eine Austrittswelle von über 50 Burschenschaften aus dem Verband.
Oft werfen wir mit dem Begriff „Burschenschaften“ alle Verbindungen in einen Topf, doch hier ist es wichtig abzugrenzen: Burschenschaften sind nur ein kleiner Teil aller studentischen Verbindungen. Burschenschaften sind insbesondere politische Studentenverbindungen. In der Öffentlichkeit gelten Erstere heute häufig als politisch rechts, die historisch liberaleren Strömungen scheinen in den Hintergrund gerückt zu sein. Meist stehen auch die langjährigen Traditionen im Vordergrund: Alle Burschenschaften sind farbentragend. Das heißt, ihre Mitglieder tragen bei offiziellen Veranstaltungen ein Band in den Farben der Verbindung und eine Studentenmütze. Die traditionellen Farben einer Burschenschaft sind schwarz-rot-gold, so wie sie bereits von der Urburschenschaft gewählt wurden. Doch nicht nur die Wahl des Outfits hat konservative Züge: Männlich konnotierte Attribute wie Härte und Wehrhaftigkeit gehören zu den ideologischen Grundpfeilern von Burschenschaftlern. Das passt zu dem zentralen Aufnahmekriterium der meisten Verbindungen: das männliche Geschlecht. Allerdings gibt es in Heidelberg auch zwei reine Frauenverbindungen.
Zahlreiche Burschenschaftler sind AfD-Parteimitglieder
Keine der Heidelberger Burschenschaften war bereit, auf Anfrage der Redaktion Einblicke in ihren Verbindungsalltag und ihre Grundsätze zu teilen, aber einige Verbindungsmitglieder sprechen anonym mit dem ruprecht über ihre Erfahrungen. Die Mitglieder betonen, dass jede Verbindung ihre eigenen Regeln und Traditionen hat und ihr Eindruck somit subjektiv ist. Bei einigen zähle die Mensur, der traditionelle Fechtkampf, zum Pflichtprogramm, bei anderen müssen im Gegensatz zum Standard nicht einmal Farben getragen werden. Verbindungsmitglieder betonen: Bei ihnen zähle nicht, aus welchem Land man kommt, ob man religiös ist oder wer die Eltern sind.
Es gehe ihnen um die Gemeinschaft und das Zusammentreffen verschiedener Persönlichkeiten statt um Exklusion. In der sogenannten „Fuxenzeit“ testet die Verbindung, ob das neue Mitglied, der „Fux“, zu ihr passt. Von der lebenslangen Mitgliedschaft versprechen sich viele eine bessere Karriere durch hilfreiche Beziehungen und die finanzielle Unterstützung der „alten Herren“, die nicht mehr studierenden Mitglieder.
Letztendlich bleibt der Umgang mit Verbindungen, insbesondere mit Burschenschaften, ein kontroverser Diskurs. Auch in Heidelberg sorgen Burschenschaften immer wieder für Aufregung und Skandale, wie zuletzt die Burschenschaft „Normannia“.
Es stellt sich die Frage, wie aus den liberalen Gründungsideen aus Jena die heute oft konservativen bis rechten Ansichten geworden sind. Hat der Zeitgeist sich gewandelt, während die „Burschis“ so geblieben sind, wie sie schon immer waren? Oft stecken wir alle Verbindungen schnell in eine Schublade. Es schadet nicht, dem Thema offen und aufmerksam entgegenzutreten – und dabei gleichzeitig kritisch zu bleiben.
Von Louisa Büttner und Solveig Harder
…studiert Politikwissenschaft und Germanistik. Sie wirkt seit Herbst 2023 beim ruprecht mit, nimmt kein Blatt vor den Mund und plädiert stetig für ein Sport-Ressort.
...studiert Mathematik im Bachelor und schreibt seit Mai 2023 für den ruprecht. Sie widmet sich besonders gerne gesellschaftlichen Themen, die für Studierende relevant sind.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.
ein sehr wichtiges thema und ein super geschriebener artikel!