Vom Gerichtsaal in den Hörsaal: Die Studienplatzklage ist ein unkonventioneller Weg an die Universität. Im Verfahren werden die tatsächlichen Kapazitäten der Hochschulen geprüft – und nicht selten springt für die Kläger:innen noch ein Platz heraus
Am Anfang steht das Abi. Und am Ende steht die Zulassung zum Traumstudium. Nur der Weg, wie man von A nach Z kommt, ist nicht immer der gleiche. Abhängig von Studiengang, Universität und Bundesland gestaltet sich dieser nämlich unterschiedlich. Nicht zuletzt über das Nachrückverfahren, das die Universitäten verpflichtet, die bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengänge Human-, Tier- und Zahnmedizin sowie Pharmazie aufzufüllen, gelangen viele Bewerber:innen noch an einen Studienplatz.
Und dennoch gehen manche leer aus. Dann heißt es Wartesemester sammeln, an einer Privatuniversität oder gar im Ausland studieren, um sich doch noch seinen Wunsch zu erfüllen. Eine letzte Chance bietet für viele, die dafür nicht die Zeit oder die finanziellen Ressourcen haben, das mystische und allzu oft missverstandene Verfahren der Studienplatzklage. Inhalt der Klage ist grundsätzlich der Vorwurf, dass die beklagte Hochschule weniger Studienplätze anbieten würde, als ihr tatsächlich zur Verfügung stehen. Im Gerichtsverfahren wird die Kapazitätsberechnung der angeklagten Hochschule überprüft, und finden sich Fehler oder Diskrepanzen, die mehr Studienplätze aufdecken, hat der:die Klagende den Prozess gewonnen. Trotzdem heißt das nicht automatisch, dass er:sie den Studienplatz auch bekommt – besonders in Studiengängen, die sehr begehrt sind, kann es vorkommen, dass die Zahl der Klagenden die im Prozess aufgedeckten Studienplätze übersteigt und daraufhin die letzten noch verfügbaren Plätze per Losverfahren vergeben werden. Wer also Pech hat, kann sein Geld in eine oder mehrere Klagen investieren und am Ende trotz erfolgreichen Verfahrens keinen Studienplatz bekommen. Vor allem in medizinischen Studiengängen passiert dies nicht selten, weshalb es dort üblich ist, mehrere Universitäten parallel zu verklagen.
Grundsätzlich haben Studienplatzklagen tatsächlich recht gute Erfolgsaussichten. Bei nicht-medizinischen Studiengängen liegt die Erfolgschance nach Angabe spezialisierter Anwaltskanzleien bei rund 90 Prozent, bei Medizin oder Psychologie eher zwischen 40 und 60 Prozent. „Mir wurde am Anfang gesagt, ich habe 54 Prozent Chance auf einen Studienplatz,“ berichtet beispielsweise eine Studentin, die sich erfolgreich in ein Psychologiestudium an der Universität Potsdam eingeklagt hat. Es kommt also wesentlich darauf an, in welchen Studiengang man sich einklagt. Weitere wichtige Faktoren sind die Anzahl der Mitkläger, die Universität, die man verklagt und nicht zuletzt die Kompetenz des zuständigen Rechtspersonals.
Auch die Wartezeiten gestalten sich unterschiedlich: obwohl die Studienplatzklage in der Regel als Eilverfahren am Verwaltungsgericht eingeht und offiziell zwischen drei und fünf Monate dauern soll, zeugen Erfahrungsberichte von deutlich längeren Prozessdauern von bis zu einem Jahr. „Auf Versprechen hinsichtlich der Dauer sollte man nicht vertrauen – man muss sich auf langes Warten einstellen, und der ganze Prozess ist für den Klagenden selbst sehr passiv,“ erzählt die Studentin aus Potsdam. Die Studienklage ist nicht nur ein zeitlicher, sondern auch ein finanzieller Aufwand: Eine einzelne Klage liegt durchschnittlich im Bereich von etwa 1.500 Euro, und der Betrag steigt selbstverständlich bei mehreren Verfahren. Auch der Ausgang des Prozesses hat einen Einfluss auf die Kosten, denn die verlierende Partei muss in den meisten Fällen die Anwaltskosten der Gegenseite übernehmen.
Unabhängig von möglichen Vor- und Nachteilen, die sich je nach Situation ergeben können, ist die Studienplatzklage aber letztendlich nur eine weitere, wenn auch weniger geläufige Möglichkeit, an seinen Wunschstudienplatz zu kommen. Und doch wird sie oft anders bewertet – häufige Vorurteile bestehen darin, man nehme mit einer Klage einer anderen Person den Studienplatz weg, oder man erkaufe sich seinen Studienplatz. Wie eine genauere Betrachtung des Verfahrens aber zeigt, ist dieses weder ungerecht noch korrupt, sondern überprüft im Gegenteil, ob die Universitäten ihren Beitrag zur Sicherung der Berufswahlfreiheit verfassungsgemäß leisten. Durch den numerus clausus wird dieses Grundrecht der potenziellen Studierenden eingeschränkt, und diese Einschränkung ist nur dann legitim, wenn eine Universität ihre Kapazitäten vollständig ausschöpft. Die hohen Erfolgschancen der Studienplatzklage zeigen, dass dies allzu oft nicht der Fall ist – damit ist sie also ein notwendiges Instrument, um für mehr Gerechtigkeit im Hochschulwesen zu sorgen.
Von Rebecca Wimberger und Odette Lehmann
...studiert Germanistik im Kulturvergleich und Soziologie im Bachelor und leitet seit dem Wintersemester 2024/25 das Ressort "Studentisches Leben". Sie ist seit Ende 2023 beim ruprecht aktiv und interessiert sich besonders für Dinge, die eine gründliche Dosis Reflektion und neue Perspektiven gebrauchen können, deshalb schreibt sie gerne über aktuelle gesellschaftliche, kulturelle und politische Themen.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.