Der Film „Civil War“ zeigt uns eineDystopie über die USA
Rezension:
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Ausgebrannte Autowracks und blockierte Straßen, bewaffnete Milizen und allgegenwärtige Gewalt – Fotos dieser Art erreichen uns mit trauriger Regelmäßigkeit auch aus den Vereinigten Staaten. „Civil War“ von Regisseur Alex Garland wirkt genau dann umso bedrückender, wenn beim Anschauen die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verwischen. Nichts für empfindsame Gemüter und brandaktuell, der neueste Film der A24-Studios hat es in sich.
Kriege sind selbst auf der Leinwand schwer anzuschauen. Filme wie „Der Soldat James Ryan“ oder „Im Westen nichts Neues“ verlangen den Betrachter:innen einiges ab. Die Handlung des neuesten Werks des „Ex Machina“-Regisseurs folgt deswegen Menschen, die genau das zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben – Kriege erleben und für andere sichtbar machen. Die Fotografin und Journalistin Lee Smith, großartig dargestellt von Kirsten Dunst, wird von dem Leid verfolgt, das sie auf Zelluloid festhält, während sie mit ihren Kolleg:innen Joel, Jessy und Sammy durch die vom Bürgerkrieg zerrissenen USA in Richtung D.C. fährt. Ihr Ziel: ein letztes Interview mit dem despotischen Präsidenten, bevor dieser den Krieg und seinen Kopf verliert. Mit viel Feingefühl erkundet der Film die Psyche seiner Protagonist:innen nach Gewalterfahrungen. Lee ist unnahbar und eiskalt, Jessie ist naiv und unerfahren, die beiden wirken dadurch wie zwei Seiten einer Münze. Joel, dessen Darsteller Wagner Moura viele als Pablo Escobar aus der Serie „Narcos“ kennen, ist abgestumpft und wirkt fast wie ein Adrenalinjunkie. Der Film gewinnt durch die stimmige Chemie dieser Reporter:innen sehr an emotionaler Schlagkraft.
Kriege sind selbst auf der Leinwand schwer anzuschauen
Das festgehaltene Bild ist ein zentrales Motiv, immer wieder werden während Actionsequenzen die Fotos eingeblendet, die während des Geschehens entstehen. Andere Filme schwenken bei Gewalt mit der Kamera oft weg, lange gab es in Hollywood strikte Gesetze zu Blut und Waffen auf der Leinwand. „Civil War“ macht das genaue Gegenteil und zeigt die Gräuel des Krieges so, wie ihn die Figuren erleben – nur durch eine Kameralinse gefiltert. A24 hat sich in den letzten Jahren mit einer Reihe an erstklassigen Filmen einen Ruf als Wunderkind moderner Filmstudios erarbeitet. „Civil War“ ist sein derzeit teuerster Film und das neue Geld sorgt für einen hochwertigen Cast und großartige Aufnahmen. Die Sets sind eindrucksvoll, ob Massengrab im Hinterland oder Amerikas heiligste Stätten als Kulisse für aufwendige Schlachtszenen. Der Film hat durch seine Prämisse in einem Wahljahr, das von der Spaltung quer durch die amerikanische Gesellschaft geprägt ist, natürlich auch einiges an politischer Sprengkraft. Viele Beobachter:innen blicken spätestens seit dem Sturm auf das Kapitol 2021 mit wachsender Sorge auf die Situation im Land der Freien. Die USA verfügen über das stärkste Militär der Welt und die höchste Dichte an zivilen Schusswaffen pro Einwohner. Kein Wunder also, dass da der Gedanke an einen Bürgerkrieg starke Gefühle hervorruft. „Civil War“ nutzt das, um die Zuschauenden zu schocken, zu warnen und wachzurütteln.
Von Nepomuk Meyer
...studiert American Studies im Bachelor. Er schreibt mal über kleine, mal über große Themen und sonst alles, wofür er sich begeistern kann. Er ist seit 2023 beim ruprecht dabei.