Rock, Reggae, Rap. Ein typischer Tagesablauf des dröhnenden Gedudels im Marstall. Doch wer ist zuständig für das Aux?
Ich heb ab. Nichts hält mich am Boden. Zumindest fühlt es sich so an, wenn ich die Türen zum Marstall öffne. Wenn ich zum Buffet gehe, verspüre ich ein elektrisches Gefühl, obwohl sich das Anstellen manchmal anfühlt, als würde ich durch den Monsun gehen. Doch wenn ich mich hinsetze und am Durstlöscher schlürfe, ist das Stimmengewirr meiner Mitessenden nicht mehr das Einzige, was es mir unmöglich macht, mein Gegenüber zu verstehen. Kurz denke ich, ich hätte mich ausversehen in die Halle 02 verirrt, doch die ohrenbetäubend laute Musik, die wie ein Komet in mein Ohr einschlägt, ist an ihrem rechtmäßigen Platz. Bei einem entspannten griechischen Wein im Marstall kann es durchaus sein, dass man La Vie en rose, Highway to Hell, Palmen aus Plastik und As It Was als musikalische Untermalung genießen darf. Nicht, dass ich es mir jemals erlauben würde, über den Musikgeschmack anderer zu urteilen, aber beim Marstall-Soundtrack weiß wahrscheinlich nicht mal der Spotify-Jahresrückblick, was er zusammenstellen soll.
Je länger man lauscht, desto mehr Fragen kommen auf: Wer mixt die merkwürdig melodische Marstall-Musik? Kann man die Playlists irgendwo auf Spotify finden? Weiß die Person, die die Musik macht, dass sie nicht mit ihren Kopfhörern verbunden ist, sondern alle die Songs hören können? Im ersten Moment denkt man, dass sich diese Fragen erst beantworten lassen, wenn die Wolken wieder lila sind. Doch nach einfacher Recherche findet man heraus, dass die Musik von den Marstall-Mitarbeitenden selbst gespielt wird. Wer gerade Lust hat, verbindet sich mit den Boxen und gibt seine privaten Playlists zum Besten. Wenn das bekannter wird, können so auch noch ganz andere Probleme gelöst werden: Der Stura muss keine DJs mehr ausschreiben! Ganz einfach könnte man die hauseigenen Musikmachenden aus der Mensa rekrutieren, die jedes Event durch ihre tägliche Erfahrung rocken würden. Mit den Marstall-Megastars wird gewiss jede Fachschaftsparty zum kultigen Erfolg.
Das soll hier jetzt definitiv kein Liebeslied werden, doch man muss anmerken, dass der skurrile Musik-Mix dem Zeughaus einen gewissen Charme verleiht. Umso trauriger, dass wir ihn durch die anstehende Sanierung nicht mehr allzu lange genießen können. Um es in Cros Worten auszudrücken, heißt es dann doch bald: Bye Bye, meine Liebe des Lebens.
Wenn der Marstall irgendwie, irgendwo, irgendwann nicht mehr ist, wird alles neu. Ob die Lautsprecherboxen dann mit in die Triplex umziehen? Falls nicht, ist es Zeit, dass sich was dreht. Wenn mich die Genre-Wechsel auch manchmal irritieren, würde ich sie in meinem Studi-Alltag nach einer langen Bib-Session nicht missen wollen. Denn wie bekommt man an einem Mittwoch um 15 Uhr den Kopf besser frei als durch den wildesten Hardstyle-Soundcloud-Remix des Jahres? Richtig, wenn darauf Herzbeben von Helene Fischer folgt.
Eine Glosse von Annika Bacdorf
...studiert Politikwissenschaft und Anglistik. Seit dem Winter 2023 ist sie beim ruprecht, wo sie mal dies und mal das macht.
...studiert seit dem WiSe 2021 im Bachelor in Geschichte und Religionswissenschaft – beim ruprecht ist sie seit Studienbeginn, hat zwischendurch Hochschule mitgeleitet und ist zurzeit im Layout-Team. Bei Gelegenheit produziert sie auch Illustrationen für Artikel und schreibt am liebsten über Medien und internationale Themen.