Misgendering, Beleidigungen, Gewalt. Queere Menschen erfahren Diskriminierung an der Universität. Welche Handlungsoptionen Betroffene haben
Zwei von fünf queeren Menschen wurden an ihrem Arbeitsplatz bereits mit Diskriminierung konfrontiert, so eine von Deloitte durchgeführte Umfrage aus 2022. Im vergangenen Jahr erfasste die Polizei in Deutschland 1500 Delikte gegen die sexuelle Orientierung und auch in Heidelberg sorgte ein Angriff auf Schauspieler:innen während des Queer Festivals für Empörung (der ruprecht berichtete). Zum Vergleich: 2021 waren es noch 1005. Nicht zu entnehmen ist der Statistik allerdings, ob dieser Anstieg der Delikte auf eine tatsächliche Zunahme queerphober Gewalt zurückzuführen ist oder lediglich mehr Vorfälle tatsächlich gemeldet werden. Wie ist die Lage an der Universität?
Die Interessen queerer Studierender vertritt das Queerreferat der Verfassten Studierendenschaft. Unter anderem erreichte es die Möglichkeit für trans*-Personen, ihren Namen für interne Angelegenheiten an der Universität leicht durch einen formlosen Antrag zu ändern. Diese Möglichkeit, „für die wir sehr dankbar sind“, so das Queerreferat, sei auch verglichen mit anderen Unis fortschrittlich.
Transfeindliche Vorfälle mit Dozierenden und die Verwaltung würden laut Mitgliedern des Queerreferats etwa einmal im Monat bis einmal im Semester vorkommen. Darunter zählt unter anderem das absichtliche Ansprechen mit falschem Namen und Pronomen (sogenanntes Misgendering) durch Dozierende oder Mitarbeitende der Verwaltung.
Es wird auch von einem Dozenten berichtet, der ausliegende Flyer mit Queer-Bezug wegwirft. Ebenso kommt es gelegentlich zu Beleidigungen durch Kommiliton:innen. Sticker mit der Aufschrift „Protect trans studis“ werden entfernt oder überklebt. Auch Schilder der neu eingerichteten Unisex-Toiletten am Psychologischen Institut werden regelmäßig entfernt, wobei unklar bleibt, ob dies durch Studierende oder Mitarbeitende des Instituts geschehe – bei der Einrichtung der Toiletten äußerten sich auch Mitarbeitende kritisch.
Die Universität selbst bietet durch das Unify-Büro Beratungsmöglichkeiten speziell für queere Menschen an. Im Queerreferat habe man gute Erfahrungen mit dieser Beratung gemacht, die bei Auseinandersetzungen auch als vermittelnde Instanz dienen kann. Welche Konsequenzen bei queerfeindlichem Verhalten drohen, ist allerdings unklar. Dennoch bleibt das Queerreferat optimistisch: Auf E-Mails reagiert die Universität teilweise sehr schnell und zeigt sich offen für Veränderungen. Gleiches gilt für die Einrichtung geschlechtsneutraler Toiletten, für die sich verschiedene Institute inzwischen bereit zeigen.
Wer selbst mit Queerphobie im Alltag zu kämpfen hat, kann sich an Unify oder an das Queerreferat wenden. Dieses bietet ein Online-Formular, über das anonym Vorfälle gemeldet werden können, sowie nach Vereinbarung eine Sprechstunde an, in der auch Angelegenheiten außerhalb der Universität besprochen werden können. Für Betroffene kann das Queerreferat eine Community bieten, vermitteln und helfend zur Seite stehen. Die Ursachen der Probleme bekämpft das aber leider nicht.
Von Ulrike Husemann
…studiert Jura und schreibt seit 2024 über das, was Heidelberg bewegt.
...studiert Physik im Master und fotografiert seit Herbst 2019 für den ruprecht. Von Ausgabe 200 bis Ausgabe 208 leitete er das Online-Ressort, von Ausgabe 205 bis 210 die Bildredaktion.