Eine neue Ära bricht an: Claudia Sheinbaum gewann die Präsidentschaftswahlen in Mexiko. Nun gilt es, organisierte Kriminalität, Gewalt gegen Frauen und soziale Ungleichheit zu bekämpfen
Mexiko hat gewählt. Claudia Sheinbaum, Politikerin und Umweltexpertin, hat die Präsidentschaftswahl gewonnen. Nicht überraschend, da sie in den Umfragen bereits weit vorne lag. Ihr Sieg fiel jedoch noch deutlicher aus als erwartet. Sie gehört der jetzigen linksgerichteten Regierungspartei Movimiento Regeneración Nacional an, die auch den derzeitigen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (AMLO) stellt.
Sheinbaums politischer Ziehvater, wie AMLO oft genannt wird, ermöglichte ihr den Einstieg in die Politik. Er bot ihr den Posten der Umweltministerin in Mexiko-City an, als er dort im Jahr 2000 Bürgermeister wurde. Sheinbaum war eine ideale Wahl, da sie fünf Jahre zuvor an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko in Energietechnik promoviert hatte.
Nach sechs Jahren im Amt wurde sie Mitglied des Intergovernmental Panel on Climate Change, das 2007 den Nobelpreis erhielt. Mit den Jahren wurde die Beziehung mit AMLO immer enger. So koordinierte sie 2006 seine Wahlkämpfe und Kampagnen für die anstehende Präsidentschaftswahl.
Im Jahr 2011 gründeten sie zusammen die Partei Movimiento Regeneración Nacional, die 2014 offiziell anerkannt wurde. Überraschenderweise löste sie 2018 die zwei stärksten Parteien in Mexiko von den Regierungsgeschäften ab und AMLO wurde Präsident von Mexiko. Er überzeugte die Menschen mit seiner charismatischen Art, aber auch seine linkspopulistische Ausrichtung traf auf Zuspruch in der Bevölkerung.
2018 wurde Christina Sheinbaum nach López Obrador die erste Bürgermeisterin von Mexiko-City. Sie steigerte ihre Popularität, kämpfte gegen die organisierte Kriminalität und setzte sich gegen Gewalt an Frauen ein. Während ihrer Amtszeit ging die Zahl der Verbrechen stark zurück. Ihre Hauptstrategie war die Professionalisierung der Polizeikräfte und eine Verbesserung der Kommunikation zwischen den verschiedenen Einheiten.
López Obrador gilt als ihr Wegbereiter, denn er ist in der Bevölkerung sehr beliebt. Er setzte sich für die weniger privilegierte Bevölkerung ein, indem er beispielsweise den Mindestlohn verdoppelte. Diesen Kurs möchte Sheinbaum weiterführen. Aufgrund ihrer wissen- schaftlichen Vergangenheit engagiert sie sich besonders intensiv für den Umweltschutz.
Darüber hinaus möchte sie Feminismus mehr in den Mittelpunkt stellen, so wie sie es in Mexiko-City mit der Errichtung eines Ministeriums für Frauen schon umgesetzt hatte. Sie setzt sich für die Legalisierung von Abtreibungen, für eine paritätische Besetzung von Bundes- und Kommunalkabinetten und für die genauere Untersuchung von Gewalttaten und Morden an Frauen ein. Für viele mexikanische Frauen und Mädchen stellt sie ein großes Vorbild dar. Dies könnte die Möglichkeit sein, das Land von seinen patriarchalen Strukturen zu lösen. Sheinbaum repräsentiert ebenfalls mexikanische Jüdinnen und Juden. Sie ist selbst Jüdin und somit nicht nur die erste Frau, sondern auch die erste mexikanische Jüdin in einer solchen Position in diesem stark katholisch geprägten Land. Daher sind die Erwartungen an sie hoch, sowohl national als auch international, erklärt der Mexiko-Experte Luis Rodrigo Pesce Villagomez.
Anders als López Obrador will sie aber ruhiger regieren und weniger polarisieren. Ihr Führungsstil wird als besonnen und pragmatisch beschrieben, was viele Wähler:innen als erfrischende Abwechslung empfinden. Von ihren Rivalen wird sie deshalb auch „Ice-Lady“ genannt.
Es steht außer Frage, dass der Schreibtisch, an dem Sheinbaum ab Oktober sitzt, voller Aufgaben sein wird. Ob sie in ihrer ersten Amtszeit entscheidende Veränderungen bewirken wird, bleibt abzuwarten. Sie hat sicherlich genug zu tun.
Von Michelle Kochno
...studiert Politikwissenschaften und öffentliches Recht. Beim ruprecht ist sie seit Januar 2024 und scheibt am liebsten über Wort und Kultur.
...studiert Biowissenschaften und schreibt … nichts. Er layoutet und illustriert seit 2023 für den ruprecht.